Weil es bei AHV und beruflicher Vorsorge gleichermassen Handlungsbedarf gibt, schlägt der Bundesrat vor, beide Säulen gleichzeitig zu sanieren. Für die Paketlösung gibt es auch politische Gründe.
Die gescheiterte 11. AHV-Revision und die abgelehnte Senkung des Umwandlungssatzes haben gezeigt, dass es für Reformen der Altersvorsorge solide Mehrheiten braucht. Eine solche kommt nur zustande, wenn alle Seiten ihre Forderungen wenigstens teilweise erfüllt sehen und die Renten nicht spürbar sinken.
Wie dieses Kunststück zu schaffen ist, hat der Bundesrat dem Parlament in einer fast 300-seitigen Botschaft dargelegt. Auch wenn der allseitige Aufschrei zunächst gross war, scheint der Balanceakt doch gelungen: Die vorberatende Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) beantragt dem Ständerat zwar Änderungen, die Vorlage ist aber nach wie vor auf Kurs.
Der Bundesrat schlägt vor, die Mehrwertsteuer in zwei Schritten um maximal 1,5 Prozentpunkte zu erhöhen. Damit soll die Finanzierung der AHV sichergestellt werden. Weil dafür eine Verfassungsänderung nötig ist, gibt es auf jeden Fall eine Abstimmung. Über die geplante Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre dürfte bereits bei dieser Gelegenheit heftig diskutiert werden, auch wenn ein allfälliger Urnengang darüber erst später stattfinden würde.
Wichtigste Massnahme bei der beruflichen Vorsorge ist die schrittweise Senkung des Mindestumwandlungssatz von 6,8 auf 6 Prozent. Es handelt sich um den Prozentsatz des angesparten Kapitals, der als Rente ausgezahlt wird. Ein Alterskapital von 100'000 Franken würde also nur noch 6000 statt 6800 Franken pro Jahr abwerfen.
Um zu verhindern, dass die Renten tatsächlich sinken, sollen die Arbeitnehmenden mehr sparen. Der Bundesrat will darum unter anderem den Koordinationsabzug abschaffen, was zu einem höheren versicherten Lohn und so zu zusätzlichem Alterskapital führt. Davon profitieren auch Teilzeitbeschäftigte, namentlich Frauen.
Gleichzeitig schlägt der Bundesrat vor, die Eintrittsschwelle zu senken und die Altersgutschriftensätze so anpassen, dass Arbeitnehmende mit zunehmendem Alter nicht immer teurer werden. Weil einer ganzen Generation nicht mehr genug Zeit bleibt, auf diesem Weg zusätzliches Kapital anzusparen, soll mit Zuschüssen aus dem Sicherheitsfonds während 25 Jahren eine Übergangsregelung finanziert werden.
Unter dem Begriff «Referenzalter» will der Bundesrat einen flexiblen Rückzug aus dem Erwerbsleben zwischen 62 und 70 Jahren ermöglichen. Für Personen mit tiefen und mittleren Einkommen ist ein günstigeres AHV-Vorbezugsmodell vorgesehen, um einen frühzeitigen Rentenantritt zu ermöglichen.
Der einstimmige Entscheid der vorberatenden Ständeratskommission lässt erwarten, dass der Bundesrat die Vorlage unbeschadet durch die kleine Kammer bringt - wenigstens als Konzept. In einigen Punkten schlägt die Kommission nämlich einschneidende Änderungen vor.
Um der Linken die bittere Pille des Frauenrentenalters 65 zu versüssen, will die SGK die AHV-Renten erhöhen - ein Entgegenkommen insbesondere an den Gewerkschaftsbund mit seiner AHVplus-Initiative. Für Einzelpersonen sind zusätzlich 70 Franken pro Monat vorgesehen, die Ehepaarrenten schlagen um bis zu 226 Franken auf.
Finanziert werden soll dies mit zusätzlichen 0,3 Lohnprozenten. Auch die Bundeskasse soll mehr als vorgeschlagen beitragen; nach Ansicht der SGK geht es nicht an, aus der Reform der Altersvorsorge eine Sparvorlage zu machen. Die Mehrwertsteuer will die Kommission hingegen nur um 1 Prozent statt um 1,5 Prozent erhöhen.
Auf den Um- und Abbau der Witwenrente will die SGK aus politischen Gründen verzichten: Der erwartete Widerstand steht nach Ansicht der Mehrheit in keinem Verhältnis zu den möglichen Einsparungen. Auch die finanzielle Abfederung des Rentenvorbezugs für tiefe Einkommen soll aus der Vorlage gestrichen werden.
Bei der beruflichen Vorsorge schlägt die SGK ebenfalls Änderungen vor. Die höheren AHV-Renten erlauben es ihrer Ansicht nach, auf einen Teil der Ausgleichsmassnahmen für den tieferen Umwandlungssatz zu verzichten: So will sie den Koordinationsabzug nicht abschaffen, sondern nur leicht senken. Hingegen sollen Arbeitnehmende schon vier Jahre früher mit dem Alterssparen beginnen. Und das Übergangsregime würde nur 15 statt 25 Jahre gelten.
Den Versicherern kommt die Kommission entgegen, indem sie die vom Bundesrat vorgeschlagene Erhöhung der so genannten Legal Quote - der minimalen Beteiligten der Versicherten am Gewinn privater Lebensversicherungen - von 90 auf 92 Prozent ablehnt.
So gibt es für alle süsse und bittere Pillen, auch wenn sie nicht ganz gleichmässig verteilt sind. Mit der Erhöhung der AHV-Renten haben SP und Gewerkschaften nämlich ein zentrales Anliegen in der Vorlage untergebracht. Die Ständeratskommission ist sich offenbar bewusst, dass die Reform gegen die linke Referendumsmacht einen schweren Stand hätte.
Das rechtsbürgerliche Lager wird den Ausbau der AHV wohl trotzdem nicht schlucken - die Zumutung der zusätzlichen Lohnprozente und der ungesicherten Finanzierung nach 2030 dürfte zu viel sein. In aller Schärfe wird die Diskussion aber erst im Nationalrat geführt werden. Anders als im Ständerat dürfte dort auch die Paketlösung in Frage gestellt werden.