Unheilbare, hochgefährliche Straftäter sollen in jedem Fall bis zu ihrem Tod eingesperrt werden. Dafür hatten sich 2004 Volk und Stände mit 56,2 Prozent ausgesprochen. Gegen den Willen von Bundesrat und fast allen Parteien. Einzig die SVP setzte sich damals prominent dafür ein.
Der Schutz möglicher Opfer hatte bei der Bevölkerung Vorrang gegenüber Experimenten mit Hafturlaub und provisorischer Freilassung für nicht therapierbare Gewalttäter. Sie liess sich nach skandalösen Fällen der Achtziger- und Neunzigerjahre nicht mehr mit dem juristischen Argument abspeisen, dass dieser Schutz auch ohne Initiative gegeben sei.
Die Gegner der lebenslänglichen Verwahrung warnten jedoch schon damals, dass die Forderung möglicherweise kontraproduktiv sei. Die Richter würden die neue scharfe Massnahme, die immer zusätzlich zur Strafe verhängt wird, nur mit grosser Zurückhaltung aussprechen.
Keine Verwahrungsform dauert zwingend bis ans Lebensende
Heute gibt es drei Verwahrungsformen bei besonders schweren Taten sowie ernsthaften Rückfallprognosen. Neben der «kleinen Verwahrung» – ein Aufenthalt auf einer Therapiestation für Täter mit Haftstrafen unter fünf Jahren – gibt es die ordentliche Verwahrung. Diese wird ebenfalls nach dem Absitzen der Haftstrafe vollzogen, soll hauptsächlich der Sicherheit dienen. Nach einer Probezeit wird jährlich überprüft, ob die Massnahme noch angezeigt ist.
Bei der «lebenslänglichen Verwahrung» für extremgefährliche, als nicht therapierbar eingestufte Täter gibt es ebenfalls Überprüfungen – von Amtes wegen oder auf Gesuch hin. Zwei Gutachter klären dann, ob aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ein Täter doch als therapierbar eingestuft werden muss. Nur wenn beide dies verneinen, wird die Massnahme fortgesetzt.
Nach dem Urteil muss das Parlament über die Bücher
Im aktuellen Fall tat dies nur ein Fachexperte. «Juristisch ist der Entscheid daher nachvollziehbar, aus politischer Sicht habe ich aber kein Verständnis dafür», erklärt SP-Nationalrätin Chantal Galladé (45). Dieses Urteil müsse dazu dienen, dass das Parlament nochmals über die Bücher gehe. Das oberste Ziel sei nach wie vor, die Bevölkerung vor solch gefährlichen Gewalttätern zu schützen.
«Persönlich völlig unbegreiflich, aber juristisch nachvollziehbar», sagt auch SVP-Nationalrätin und Ex-Polizistin Andrea Geissbühler (41). Unabhängig vom Fall Marie werde die Rechtskommission, der sie angehört, diesen Frühling über die Verwahrungspraxis diskutieren. Eine mögliche Verschärfung könnte sein, im Wiederholungsfall eine automatische Verwahrung auszusprechen, wie dies ihre Parteikollegin Natalie Rickli (41) fordere.