Was macht eine Bundesratskandidatin, deren Sieg bereits feststeht? Sie reist am Abend vor der Wahl locker und fröhlich nach Stuttgart und schaut sich den Match Schweiz gegen Frankreich an der Fussball-WM an.
So jedenfalls verbrachte Doris Leuthard (55) den Abend des 14. Juni 2006 – bevor sie am nächsten Tag zur fünften Bundesrätin der Schweiz gewählt wurde. Die CVP hatte damals auf ein Einerticket gesetzt. So klar war es für die Mittepartei, dass die damalige Parteipräsidentin in der Regierung Einsitz nehmen soll.
Mit dem Car zurück nach Bern
Die Reise der 25 Politiker zum WM-Spiel war schon länger geplant; lange vor dem Rücktritt von CVP-Bundesrat Joseph Deiss (72) – und folglich lange bevor Leuthard wusste, dass sie Bundesrätin werden wird.
Deshalb sagte die Aargauerin die Reise auch nicht mehr ab, zog ein Fanshirt über, fieberte im Stadion mit der Nati mit, die ein 0:0 erkämpfte – und reiste mit einem Car nach Bern zurück.
«Sowjetische Zustände»
Das CVP-Einerticket mit Leuthard war das letzte – seither haben die Parteien bei allen Wahlen der Bundesversammlung stets ein Duo oder gar ein Trio zur Auswahl präsentiert. Denn 2006 gab es auch Misstöne. So hatte die SP von der CVP offensiv ein Zweierticket verlangt.
Einige Parlamentarier gaben Leuthard aus diesem Grund auch die Stimme nicht. Der Waadtländer Kommunist Josef Zysiadis (62) etwa sprach von «sowjetischen Zuständen». Dennoch wurde Leuthard bereits im ersten Wahlgang gewählt.
Dies könnte am 5. Dezember auch Karin Keller-Sutter (54) gelingen. Die Ständeratspräsidentin ist und bleibt haushohe Favoritin für den FDP-Sitz. Ganz so tiefenentspannt wie Leuthard wird die St. Gallerin am Wahltag aber dennoch nicht sein.
Die FDP-Fraktion wird diesen Freitag aller Voraussicht nach einen Mann neben Keller-Sutter ins Rennen schicken. Egal, ob es Hans Wicki (54) oder Christian Amsler (54) sein wird – es ist mehr eine Alibi-Kandidatur als eine richtige Konkurrenz für KKS.
Spannung bei der CVP
Spannend wie der Fussballkrimi an der WM 2006 könnte hingegen die Wahl der Nachfolgerin oder des Nachfolgers von Leuthard werden. Die CVP-Fraktion beschliesst ihr Ticket ebenfalls am Freitag.
Hört man sich in der Fraktion um, wird die CVP ebenfalls ein Zweierticket präsentieren. Zwar gibt es auch einzelne Befürworter eines Dreiervorschlags, um dem Parlament eine grössere Auswahl zu bieten.
«Dann können wir aber auch gleich ein Viererticket präsentieren», lacht ein CVP-Vertreter, der für ein Zweierticket plädiert. Grund: Die Partei kann so besser steuern, wer sie künftig in der Landesregierung repräsentiert. «Mit einem Dreierticket würde eine einzige Person desavouiert, das geht nicht», lautet ein anderer Einwand.
Wer schafft es neben Amherd?
Doch wer schafft es auf das Zweierticket? Klar ist: Viola Amherd (56) ist praktisch gesetzt. Die Vize-Fraktionschefin gilt als seriöse Schafferin und hat ihre Dossiers im Griff. Die humorvolle Walliserin kann es zudem gut mit den Leuten.
Wie bei den Bundesratswahlen wird die CVP die Ticketplätze der Reihe nach vergeben. Und es ist absehbar, dass sich Amherd den ersten Platz sichert.
Für den zweiten Platz gilt zwar der Zuger Ständerat Peter Hegglin (57) als Favorit. Doch eine Frau könnte ihm trotzdem noch gefährlich werden: Die Urner Regierungsrätin Heidi Z'graggen (52). Ihr Problem: Viele in der CVP kennen sie nicht besonders gut.
Wenn sie aber die halbstündige Anhörung überzeugend meistert und Hegglin stolpert, könnte sie für eine Überraschung sorgen. «Es kommt auf die Präsentation an: Z'graggen kann in der Anhörung noch aufholen, Hegglin nur verlieren», sagt ein CVP-Mann.
Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (54, BL) werden derweil eher weniger Chancen zugerechnet. Das wahrscheinlichste Szenario bleibt aber ein Zweierticket mit Amherd und Hegglin. Darauf tippen jedenfalls ein Grossteil der befragten CVP-Parlamentarier.