Es ist ein sehr deutliches Votum: 78 Prozent der FDP-Basis wollen, dass sich die FDP in Zukunft «ganz generell» mehr für Klima- und Umweltschutzthemen einsetzen soll. 44 Prozent sind für eine Flugzeugsteuer, 29 Prozent «eher einverstanden» mit der von der FDP-Fraktion bisher abgelehnten Abgabe aufs Fliegen.
Der SonntagsBlick publizierte die Ergebnisse der grossen FDP-Basis-Befragung, angestossen von der umweltpolitischen Kehrtwende von Parteipräsidentin Petra Gössi (43).
Auffallend: Eine Mehrheit von 58 Prozent ist für eine neue CO2-Lenkungsabgabe auf Treibstoffen. Mobility Pricing, also höhere Preise bei starker und tiefere Preise bei geringer Nachfrage im ÖV, begrüssen 53 Prozent. Und so folgert der SonntagsBlick: «Aus Liebe zur Schweiz», lautete der FDP-Slogan einst. Heute müsste er «Aus Liebe zum Planeten» heissen.»
Über 14'000 von 120'000 FDP-Mitgliedern haben abgestimmt
60 Prozent der FDP-Mitglieder sind dafür, dass die Schweiz ihren Ausstoss von Treibhausgasen vorwiegend mit Ökomassnahmen im Inland kompensiert. Und die Senkung des CO2-Ausstosses um die Hälfte bis 2030 befürworten 77 Prozent.
14'198 von 120'000 Parteimitglieder sagen also mit grosser Mehrheit: Die FDP der Zukunft, die soll grün werden.
So überhaupt nicht grün mit der Öko-Ausrichtung seiner Partei wird Vizepräsident Christian Wasserfallen (38). Der Berner hatte bereits im Februar Parteipräsidentin Petra Gössi scharf kritisiert.
Dem BLICK sagt Christian Wasserfallen jetzt angesichts des grünen Positionsbezugs der FDP-Basis: «Das Umfrage-Ergebnis ist für mich sehr überraschend, ich hätte das so nicht erwartet. Und ich hinterfrage es. So einfach ist es nicht.»
Wasserfallen glaubt nicht, dass seine Parteikollegen dann auch B sagen, wenn es tatsächlich um die konkrete Umsetzung der Willensbekundungen gehe. «Rund zehn Prozent unserer Mitglieder sagen Ja zu neuen Steuern und Abgaben wie einer CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel? Okay, aber all jene, die so lenken möchten, müssten Ja sagen zu einer Verteuerung des Benzinpreises von mindestens einem Franken und ein Europaflug müsste mindestens 150 Franken mehr kosten», sagt Wasserfallen. «Das sind Fragen von grosser Tragweite, die Wirtschaft und Leute viel kosten werden.»
FDP-Wasserfallen glaubt nicht an Nachhaltigkeit der grünen Willensbekundung
Doch ist der Sohn einer liberalen Familiendynastie – Vater Kurt Wasserfallen (59) war unter anderem Nationalrat – denn noch in der richtigen Partei? «Sicherlich, ich bin nach wie vor in der richtigen Partei», sagt er. Die Umwelt sei «ja nur eines von vielen Themen», bei der Armee und den Sozialversicherungen oder der Bildungspolitik ticke er wie die Parteibasis. «Zudem befürworten die Umfrageteilnehmer auch mehrheitlich den Bau neuer AKW, was mich ebenso erstaunt hat.»
Am 22. Juni müssen die FDP-Delegierten wirklich Farbe bekennen. Dann wird eine parteiinterne Gruppe ihnen ein grünes Positionspapier vorlegen. Wasserfallen bezweifelt, dass die Delegierten so abstimmen, wie die Umfrage es prophezeie: «Ich bin nicht der Auffassung, dass der Freisinn im Wahljahr basierend auf einer Umfrage zwei neue Steuern und den Bau neuer AKW fordern soll», sagt er. Man müsse jetzt «alles dringend vertieft angehen und nur Massnahmen unterstützen, die ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll sind».
Und Petra Gössi? Die geniesst ihren Triumph vorerst im Stillen. Die Parteipräsidentin verwies gestern auf Anfrage von BLICK auf FDP-Sprecher Martin Stucki. Man nehme «mit Freude zur Kenntnis, dass sich die FDP-Basis der ökologischen Tradition unserer Partei bewusst ist», sagt. er. Inhaltlich ginge man aber noch nicht auf die Ergebnisse ein. «Zuerst müssen wir sie analysieren. Dann werden die Delegierten entscheiden.» Dann wird also klar, wie grün die FDP am Ende tatsächlich tickt.