Hat SP-Chef Christian Levrat (50) die Schulschliessungen herbeigeführt? Diesen Eindruck könnte gewinnen, wer die Nacherzählung der Entscheide im Frühling 2020 im Buch «Lockdown» des Recherchedesks der Tamedia-Zeitungen konsultiert.
In der aktuellen Ausgabe der «SonntagsZeitung» schildern zwei Autoren, was am Donnerstagabend, 12. März, mitten in der Corona-Krise geschah. Sie zitieren Gesundheitsminister Alain Berset (48), der diesen Donnerstag als den Tag bezeichnet, «an dem sich die Dinge wirklich änderten».
SMS von Levrat
Vorerst sei es nur um die Obergrenze für Versammlungen gegangen. Also darum, ob diese von 1000 Personen auf 500 oder 300 Teilnehmer gesenkt werden soll. Angeblich wollte Berset noch weiter gehen: auf 100 Personen maximal. Die Schulen sollten offen bleiben. Dem Druck aus einzelnen Kantonen, in denen sich die Eltern bereits weigerten, ihre Kinder in den Unterricht zu schicken, habe der Bundesrat nicht nachgeben wollen.
«Spät an diesem Donnerstagabend beugt sich Berset mit seinem Team ein letztes Mal über eine Verordnung, welche die Schulen zum Offenhalten verpflichtet», heisst es im Artikel. «Um 20.30 Uhr wird noch an Details gefeilt, da bekommt Berset eine SMS von seinem Freund Christian Levrat.» Der SP-Präsident fragt seinen Freiburger Weggefährten, ob er gesehen habe, was in Frankreich passiert. «Berset schaltet den Fernseher ein und sieht, dass der französische Präsident Emmanuel Macron die Schliessung aller Schulen verkündet», so die «SonntagsZeitung». Dabei habe ihm noch am Vortag der französische Gesundheitsminister Olivier Véran (40) versichert, dass in Frankreich Schulen offen bleiben.
Franzosen machten rechtsumkehrt
Darauf greift Berset zum Telefon. Er erreicht seinen Amtskollegen Véran. Dieser erklärt, eine neue Einschätzung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten habe zu diesem Entscheid geführt. Kinder könnten die Krankheit eben doch häufiger übertragen als bis anhin bekannt. Die Schliessung der Schulen sei eine angemessene Massnahme.
Berset lässt den Feinschliff an der Verordnung über das Offenhalten von Schulen abbrechen. Ab sofort muss das Gegenteil gelten. «Der Entscheid fällt letztlich innerhalb von zehn Minuten», so die Autoren. Kurz darauf fand dann der Unterricht in der Schweiz wie fast überall auf dem Kontinent nur noch zu Hause statt. Gegenüber BLICK bestätigt eine involvierte Person diese Schilderung.
Koch reagierte spät
Thematisiert wird im Buch, das kommende Woche vorgestellt wird, auch, wie der damalige Mister Corona Daniel Koch (65) im Frühling vom Epidemiologen Marcel Salathé (45) und seinem Berner Kollegen Christian Althaus (41) früh vor Corona gewarnt wurde. Der weitaus erfahrenere Koch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) reagierte spät. Rückblickend vielleicht zu spät.
Nicht nur «Lockdown», sondern noch weitere Aufarbeitungen werden dereinst zeigen, ob ein rascheres Handeln des BAG Menschenleben hätte retten können. Vor allem aber, ob für die Zukunft ein Weg gefunden werden kann, einem Kanton wie dem Tessin schneller zu helfen und ihm in einer Notsituation wie Anfang des Jahres eigenständiges Vorgehen zu erlauben. (pt)