Skandal weitet sich aus
Ständeräte kannten brisanten Waffen-Bericht

Sie gaben grünes Licht für die Lockerung der Waffenexport-Richtlinien: Dabei kannten die Sicherheitspolitiker den Bericht der Finanzkontrolle. Jetzt formieren sich die Gegner.
Publiziert: 06.09.2018 um 13:09 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:53 Uhr
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Bei IS-Terroristen in Syrien gefunden: Schweizer Ruag Handgranaten des Typs OHG92 sowie HG85.

Die geplante Lockerung der Schweizer Waffenexportregeln erschüttert die Schweiz: Und mitten in die hitzige Debatte liess die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) am Montagabend eine Bombe platzen: Die obersten Finanzaufseher zeigten in einem Bericht auf, dass die strengen Schweizer Regeln häufig umgangen werden (BLICK berichtete).

Viele Details blieben allerdings im Dunkeln – denn auf Geheiss des Wirtschaftsdepartements und des dort angesiedelten Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) wurden Teile des Berichts geschwärzt. Aus gutem Grund, wie die SRF-«Rundschau» gestern aufdeckte. Die Politsendung kam in den Besitz der ungeschwärzten Version.

Der Bericht kam allerdings eine Woche zu spät in Bundesbern an. Die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) des Ständerats winkte die geplante  Lockerung der Kriegsmaterialverordnung am letzten Donnerstag durch.

SiK-Ständeräte kannten Bericht vor Abstimmung

In der Vorwoche hatte dies bereits die nationalrätliche Schwesterkommission getan. Sie folgten damit dem Bundesrat. Dieser hatte im Juni entschieden, dass Schweizer Rüstungsfirmen ihre Produkte auch in Bürgerkriegsländer verkaufen dürfen.

Haben die Sicherheitspolitiker also unter falschen Prämissen die Lockerung der Waffenexport-Regeln abgenickt? Mitnichten, wie «Watson» nun aufdeckte. Die Volksvertreter wussten genau, was sie taten: Schon Ende Juni legten die Finanzkontrolleure ihren Bericht der Finanzdelegation des Parlaments vor. Deren Präsident ist CVP-Ständerat Jean-René Fournier (60). Der Walliser ist gleichzeitig auch Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats (SiK).

Deren Kommissionspräsident, der FDP-Ständerat Josef Dittli (61), bestätigt: «Die Mitglieder der SiK des Ständerats wurden über die wichtigsten Elemente der Zusammenfassung des Berichts mündlich informiert.»

FDP-Dittli verstrickt sich in Widersprüche

Die Aussage erstaunt. Denn der Freisinnige Dittli hatte nach der Veröffentlichung des EFK-Berichts im BLICK noch verkündet: «Da braucht es eine Klärung. Gibt es wirklich unrechtmässige Umgehungsgeschäfte, muss das durch Änderungen am Gesetz unterbunden werden.»

Er habe daher veranlasst, dass der EFK-Bericht an einer der nächsten Sitzungen der SiK traktandiert werde. Es ginge darum, «dass uns die Verantwortlichen erklären, was wirklich Sache ist».

Doch offenbar wusste er genau, was Sache ist.

Linke kündigen Volksinitiative an

Die Ungereimtheiten sind Wasser auf die Mühlen der Waffenexport-Gegner. Linke Kreise haben bereits eine Volksinitiative angekündigt, um diese strenger zu regulieren.

Auch Martin Bäumle (54), der ehemalige Präsident der Grünliberalen und heutige Nummer 2 der Partei, tobt. Der Bundesrat habe der Bevölkerung bei der letzten Abstimmung zu den Waffenexporten versprochen, mehr Zurückhaltung zu üben als bisher.

«Jetzt zeigt sich, dass er sein Wort gebrochen und erstens klammheimlich die Ausfuhrregeln immer mehr gelockert hat und nun auch noch Exporte in Bürgerkriegsländer ermöglichen will.» Dafür werde ihm «nun die Rechnung präsentiert – notfalls mit einer Volksinitiative.» (vfc/sf/pt)

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