Keystone-SDA: Frau Bundesrätin, wie haben Sie die Reise erlebt? Mit mit welchen Eindrücken kehren Sie in die Schweiz zurück?
Simonetta Sommaruga: «Ghana und Senegal haben eine sehr junge Bevölkerung - die Hälfte aller Menschen in Senegal ist jünger als 20 Jahre. Mit unseren Klimaabkommen und unserer Wirtschaft können wir etwas für sie und für uns tun. Wir können gemeinsam den Klimaschutz voranbringen und Arbeitsplätze schaffen. In den Ländern selber entsteht auch Gutes: So haben wir zum Beispiel in Ghana das Unternehmen Solartaxi besucht, wo sich junge Frauen zu Mechanikerinnen ausbilden lassen und Elektrofahrzeuge bauen. Das sind Stellen mit Zukunft, die für diese jungen Menschen sehr wichtig sind.
Keystone-SDA: Mit Senegal wurde ein Abkommen zum Artikel 6 des Pariser Klimavertrags abgeschlossen. Vor rund sechs Monaten hatte die Schweiz bereits einen entsprechenden Vertrag mit Ghana abgeschlossen. In Accra wurde nun die Umsetzung diskutiert. Wie zuversichtlich sind Sie, dass diese Schweizer Pionierarbeit auch ein Erfolg wird?
Sommaruga: «Grundsätzlich sind diese Umsetzungsprojekte im Interesse der Länder. In Senegal helfen wir, ein bestehendes gutes Projekt auszuweiten. Haushalte können mit Kuhmist Biogas herstellen und so kochen. Dank der Zusammenarbeit mit der Schweiz kann dieses Projekt nun ausgeweitet werden. Das Potenzial weltweit ist enorm: 2,5 Milliarden Menschen kochen mit klima- und gesundheitsschädlichen Öfen.
Mit Ghana haben wir eine Roadmap zur Umsetzung verabschiedet. Wir beschleunigen so die Umsetzung. In Ghana geht es vor allem um Projekte mit dezentraler Photovoltaik. Das Bewusstsein, dass diese Zusammenarbeit für das Klima und die Bevölkerung Vorteile bringt, ist vorhanden. Wir haben auch Vertreterinnen und Vertreter aus der Privatwirtschaft in Ghana getroffen. Auch ihr Interesse an diesem Abkommen ist gross, weil die Schweiz einen rechtlichen Rahmen schafft, der verbindlich ist.»
Keystone-SDA: Im November wird an der Klimakonferenz in Glasgow in Grossbritannien über diesen Artikel 6 diskutiert. Wie zuversichtlich sind Sie, dass dort eine Einigung gefunden werden kann?
Sommaruga: «Wichtig ist: Wir beweisen mit unseren Klimaabkommen, dass es möglich ist, robuste, griffige und transparente Regeln zu haben, die beiden Ländern dienen. Solche Regeln sind im Interesse aller Staaten. Die Schweiz hat sich sehr engagiert, dass eine Lösung gefunden werden kann - und auch ich persönlich möchte wirklich zu einer guten Lösung beitragen.
Eine schlechte Lösung wäre auch eine schlechte Lösung für das Klima - deshalb braucht es einen Plan B. Ich bin daran, mit Verbündeten einen solchen Plan B vorzubereiten. Er beinhaltet, dass eine Gruppe von Staaten ankündigt, dass sie auch ohne Einigung robuste Regeln anwenden werden und dabei nicht nur an das Klima denken, sondern auch die Menschenrechte und Umweltnormen einhalten.»
Keystone-SDA: Der zweite Schwerpunkt der Reise war die Erweiterung der Basler Konvention. Die Schweiz wirbt zusammen mit Ghana dafür, dass der Import von Elektroschrott staatlich bewilligt werden muss. Warum gerade die Zusammenarbeit mit Ghana?
Sommaruga: «Erstens hat die Schweiz langjährige gute Beziehungen zu Ghana. Zweitens arbeiten Ghana und die Schweiz in den internationalen Chemikalien- und Abfallkonventionen eng zusammen. Ghana ist durch den anfallenden Elektroschrott gefordert. Zusammen mit dem in Senegal angesiedelten Regionalbüro führen wir in Ghana ein Projekt durch, um die in den kommenden Jahren anfallenden quecksilberhaltigen Elektroabfälle abschätzen und entsprechend einen Aktionsplan erarbeiten zu können. Das liefert uns die Basis, um für die Ausweitung der Basler Konvention die richtigen Schlussfolgerungen treffen zu können.»
Keystone-SDA: Die Schweiz leistet beim Pariser Klimaabkommen und bei der Basler Konvention Pionierarbeit. Auf internationaler Ebene nimmt die Schweiz damit eine Führungsrolle bei der Klimapolitik ein. Innenpolitisch sind Sie mit der Abstimmung zum CO2-Gesetz gescheitert. Sind Sie auf dem diplomatischen Parkett überzeugender als in einem Abstimmungskampf?
Sommaruga: «Das würde ich nicht sagen. Die Bevölkerung hat ihren Entscheid in einer mit Unsicherheit verbundenen Zeit fällen müssen. Zudem war das CO2-Gesetz wohl überladen. Mit dem Heizen, dem Fliegen und dem Verkehr ist viel zusammengekommen. Das Parlament hat noch mehr in das Gesetz hineingepackt. Aber viele Unternehmen in der Schweiz sind auf einem guten Weg - die Dekarbonisierung der Wirtschaft läuft. Nun müssen wir schauen, wie wir die Bevölkerung unterstützen können, dass sie klimafreundlich leben kann und die Investitionen am richtigen Ort gemacht werden.
Es war immer so, dass die Schweiz beides macht - Klimabestrebungen im Ausland und im Inland. Im Inland braucht es jetzt einen neuen Anlauf. Die Bevölkerung erwartet dies auch. Ich bin im Gespräch mit verschiedenen Akteuren. Ich rede selbstverständlich auch mit den Gegnerinnen und Gegnern des Gesetzes. Das Parlament wird sehr schnell Lücken schliessen und etwa die Kompensation von Treibstoffimporten für Unternehmen verlängern. Wir werden sehen, was im CO2-Gesetz unbestritten war, und dann nehmen wir einen neuen Anlauf.»
(SDA)