Wildhüter unter Wilderei-Verdacht!
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Luchse und Wölfe:Wildhüter unter Wilderei-Verdacht!

Sie sollen Luchse und Wölfe im Wallis illegal abschiessen
Wildhüter unter Wilderei-Verdacht!

Drei Walliser Wildhüter werden beschuldigt, illegal Luchse und Wölfe gejagt zu haben. Das stellt die kantonalen Behörden kurz vor der Abstimmung über das neue Jagdgesetz in ein zweifelhaftes Licht.
Publiziert: 18.09.2020 um 23:17 Uhr
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Aktualisiert: 15.12.2020 um 18:47 Uhr
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Fünf Zeugen beschuldigen mehrere Walliser Wildhüter, selber illegal Luchse und Wölfe gejagt zu haben.
Foto: STEFAN BOHRER
Ladina Triaca (Text) und Pascal Scheiber (Video)

Im Süden des Wallis leben praktisch keine Luchse. Obwohl die Lebensbedingungen ideal sind, tappte vergangenes Jahr kein einziges Tier in eine der über 130 Fotofallen, die die Stiftung Kora südlich der Rhone aufgestellt hatte.

Der Verdacht: Wilderer töten die geschützten Tiere bereits beim Eintritt in den Bergkanton. Forscher der Universität Bern entdeckten vor fünf Jahren denn auch insgesamt 17 Schlingenfallen, die an der Grenze zur Waadt aufgestellt worden waren.

Staatsangestellte unter Verdacht

Die Forscher fragten sich bereits damals, ob die Walliser Behörden die Wilderei ausreichend bekämpfen – oder ob der Kanton gar seine schützende Hand über die Wilderer hält. Das scheint sich nun zu bestätigen: BLICK hat mit mehreren Zeugen gesprochen, die genau das berichten. Laut ihrem Bericht ist das Problem noch weitaus gravierender. Sie behaupten: Mehrere Wildhüter – Angestellte des Staates – haben selber illegal Luchse und Wölfe gejagt!

Insgesamt fünf Personen waren bereit, BLICK persönlich Auskunft zu geben. Sie beschuldigen einen aktiven und zwei ehemalige Walliser Wildhüter der Wilderei.

Insbesondere Wildhüter Pierre D.*, der noch im Dienst steht, ist kein unbeschriebenes Blatt. Gegen den Unterwalliser laufen derzeit mehrere Strafverfahren. Ihm wird vorgeworfen, zwei Adler bei sich zu Hause gefangen gehalten und auf einer Trophäen-Jagd illegal einen Hirsch in einem Jagdbanngebiet geschossen zu haben.

Wildhüter posiert mit totem Luchs

Nun wird die Luft für Pierre D. noch dünner. BLICK liegt ein Foto vor, auf dem er einen toten Luchs in den Händen hält – und breit in die Kamera grinst. Die Behörden gehen davon aus, dass sich der Luchs bei einem Angriff auf Schafe in einem Zaun verfangen hat und dabei ums Leben kam. Den Wildhüter scheint den Tod des Tiers allerdings nicht zu betrüben.

Der Wilderei-Vorwurf gegen D. wiegt schwer: So erzählt ein Jäger, der aus Furcht vor Revanche seitens der Behörden nicht namentlich genannt werden will, D. habe ihn mehrmals direkt dazu aufgefordert, Luchse zu schiessen. «Er sagte, es sei unser Job, die Raubtiere im Wallis zu vernichten.»

Zudem habe der Wildhüter vor zehn Jahren eine regelrechte Wolfsjagd organisiert: «Als er erfuhr, dass sich ein Wolf auf der Alp rumtreibt, hat er uns umgehend alarmiert und angewiesen, das Tier zu schiessen», erzählt der Jäger. Später sei D. selber bewaffnet auf der Alp aufgetaucht. «Ich war völlig fassungslos. Es war, als hätte mir ein Polizist geraten, schneller als Tempo 120 zu fahren.»

Denn Wildhüter sind im Normalfall für den Schutz von Wildtieren zuständig. Sie zählen die Bestände und schiessen kranke und verletzte Tiere. Auch geschützte, aber nur nach offiziellem Beschluss des Kantons gemäss Jagdgesetz-Verordnung.

Raubtier-feindliche Stimmung

Glaubt man den Aussagen der Zeugen, gibt es unter den 25 Berufswildhütern und 118 nicht staatlichen Hilfswildhütern sowie den 3000 Jägern eine verschworene Gruppe: Sie toleriere das Wildern von Grossraubtieren und fördere dies gar.

Unter Beschuss steht – nebst Pierre D. – auch der ehemalige Wildhüter Martin R.*. Auch wenn der Unterwalliser heute nur noch als Hilfswildhüter amtet, gibt er sich noch immer als vollwertiger, staatlicher Wildhüter aus. Das berichten die beiden Naturfotografen Stéphane Bruchez (52) und Olivier Born (48) unabhängig voneinander.

Beide hielt R. während einer Fotoexkursion an und wetterte dabei über Grossraubtiere: «Herr R. erklärte uns unverblümt, im Unterwallis wolle man keine Luchse – man schiesse sie», erzählt Bruchez.

Ebenfalls kein Hehl aus seiner Abneigung gegen Raubtiere macht angeblich der ehemalige Wildhüter Bernard M.*. Ein Zeuge, der als Bauer im Unterwallis arbeitet, sagt: «M. schoss als Wildhüter einen Luchs – und erzählte das allen, die es hören wollten.» Nun jage er als Privatperson weiter, «mit dem Traum, noch viele Grossraubtiere zu schiessen».

Keine Einzelfälle

Solche Aussagen bestätigen die Warnungen der Gegner des neuen Jagdgesetzes. Sie befürchten, dass bei einem Ja am 27. September Grossraubtiere im Wallis schlicht völlig ausgerottet werden könnten. Denn das neue Gesetz verleiht den Kantonen mehr Macht – und erlaubt etwa Wolfsabschüsse, bevor die Tiere einen Schaden angerichtet haben.

Dass es sich bei den drei Wildhütern nicht um kuriose Einzelfälle handelt, unterstreicht zudem die Aussage eines Mitarbeiters der kantonalen Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere in der Sendung «Mise au point» des Westschweizer Fernsehens RTS. Der Mann gesteht anonym, dass er bereits einen Luchs geschossen habe und dass auf der Dienststelle lange die Maxime gegolten habe: «Ein guter Luchs ist ein toter Luchs.»

Die Beschuldigten schweigen

Wildernde Staatsangestellte im Wallis? BLICK hat sowohl die drei Wildhüter als auch die Behörden mit den Vorwürfen konfrontiert. Keiner der Wildhüter will Stellung nehmen.

Stattdessen antworten der Walliser Staatsrat Jacques Melly (68, CVP) sowie der Chef der kantonalen Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere, Peter Scheibler, in einer gemeinsamen Mitteilung: «Der Dienststelle sind keine derartigen Vorkommnisse bekannt.» Man verurteile jegliche Form von Wilderei aufs Schärfste und erstatte bei strafrechtlich relevantem Verhalten Strafanzeige.

Die Jagdstelle hat denn auch auf die anonyme Zeugenaussage auf RTS bereits reagiert. So schreiben die Jagd-Chefs: «Wir haben am 24. August aufgrund einer in einem Medienbericht konkreten Anschuldigung auf Luchswilderei eine Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht.»

* Namen geändert

Geplanter Wolf-Abschuss im Wallis war illegal!

Die Walliser Regierung hat 2018 unrechtmässig einen Wolf zum Abschuss freigegeben. Zu diesem Urteil kommt das Walliser Kantonsgericht.

Konkret geht es um einen Wolf im Val d'Anniviers, den das Umweltdepartement von Staatsrat Jacques Melly (68, CVP) im September 2018 zum Abschuss freigegeben hatte. Mellys Begründung: Das Raubtier soll mindestens 39 Schafe gerissen und bereits im Vorjahr diverse Schäden angerichtet haben.

Damit ein Einzelwolf wie im vorliegenden Fall getötet werden kann, muss er laut geltendem Recht mindestens 15 Nutztiere reissen. In die Statistik schaffen es allerdings nur Nutztiere, die ausreichend geschützt worden waren.

Hier setzten die Beschwerdeführer von WWF, Pro Natura und dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) an: Sie sagten, die Argumentation der Walliser Regierung, wonach es aus finanziellen und touristischen Gründen nicht möglich gewesen sei, alle Schafe durch Herdenschutzhunde oder Hirten zu schützen, sei falsch.

Die Kantonsrichter gaben den Umweltschützern recht. Es sei «nicht nachvollziehbar», weshalb die betroffenen Alpen «nicht schützbar» gewesen seien, schreiben sie im Urteil. Ebenfalls «nicht nachvollziehbar» sei, dass die Walliser Regierung die Abschussbewilligung für einen Einzelwolf ausgestellt habe, nachdem im Vorjahr noch die Präsenz eines Rudels im Tal nachgewiesen worden sei.

Die Richter kommen im Urteil zum Schluss: «Die Bewilligung für den Abschuss ist bundesrechtswidrig gewesen und hätte nicht erteilt werden dürfen.»

Der Wolf wurde übrigens nicht getötet. Die Behörden bekamen das Tier nicht vor die Flinte.

Christian Merz

Die Walliser Regierung hat 2018 unrechtmässig einen Wolf zum Abschuss freigegeben. Zu diesem Urteil kommt das Walliser Kantonsgericht.

Konkret geht es um einen Wolf im Val d'Anniviers, den das Umweltdepartement von Staatsrat Jacques Melly (68, CVP) im September 2018 zum Abschuss freigegeben hatte. Mellys Begründung: Das Raubtier soll mindestens 39 Schafe gerissen und bereits im Vorjahr diverse Schäden angerichtet haben.

Damit ein Einzelwolf wie im vorliegenden Fall getötet werden kann, muss er laut geltendem Recht mindestens 15 Nutztiere reissen. In die Statistik schaffen es allerdings nur Nutztiere, die ausreichend geschützt worden waren.

Hier setzten die Beschwerdeführer von WWF, Pro Natura und dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) an: Sie sagten, die Argumentation der Walliser Regierung, wonach es aus finanziellen und touristischen Gründen nicht möglich gewesen sei, alle Schafe durch Herdenschutzhunde oder Hirten zu schützen, sei falsch.

Die Kantonsrichter gaben den Umweltschützern recht. Es sei «nicht nachvollziehbar», weshalb die betroffenen Alpen «nicht schützbar» gewesen seien, schreiben sie im Urteil. Ebenfalls «nicht nachvollziehbar» sei, dass die Walliser Regierung die Abschussbewilligung für einen Einzelwolf ausgestellt habe, nachdem im Vorjahr noch die Präsenz eines Rudels im Tal nachgewiesen worden sei.

Die Richter kommen im Urteil zum Schluss: «Die Bewilligung für den Abschuss ist bundesrechtswidrig gewesen und hätte nicht erteilt werden dürfen.»

Der Wolf wurde übrigens nicht getötet. Die Behörden bekamen das Tier nicht vor die Flinte.

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