Knapp die Hälfte der Muslime in der Schweiz möchte sich gerne politisch engagieren. Das zeigt eine Umfrage, die das GFS Bern durchgeführt hat (BLICK berichtete). Von der Schweizer Politik fühlen sich nur 14 Prozent vertreten. Praktisch alle Befragten wünschen sich zudem, dass mehr Muslime in öffentlichen Stellen und Ämtern angestellt würden.
Das verwundert kaum: Im Bundesparlament sitzt mit der Basler Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan (37) eine einzige Alevitin. Ob diese Glaubensgemeinschaft zum Islam zählt, ist jedoch umstritten. Auf Kantons- und Gemeindeebene sind muslimische Politiker ebenfalls rar.
Nur 35 Prozent sind Schweizer
Das hat Gründe. Zum einen besitzen nur 35,1 Prozent der rund 400'000 Muslime im Land das Schweizer Bürgerrecht. Alle anderen können nicht stimmen, wählen oder gewählt werden.
Und jene Muslime, die politisieren, gehen mit ihrem Glauben nicht hausieren. «Wer das Etikett ‹Muslim› trägt, wird eher verlieren», sagt Önder Günes (42) von der Föderation der islamischen Dachorganisationen Schweiz (Fids). Das Bild, das die Medien vom Islam zeichneten, sei der Lust und der Bereitschaft abträglich, sich politisch zu engagieren.
«Viele sagen daher eben, sie seien Albaner oder Bosnier, wenn sie in einen Verein oder in eine Partei eintreten.» Oder eben gar nichts: «Auch Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam ist Muslim, spricht aber öffentlich nicht über Religion», so Günes.
Muslime stossen auf Ablehnung
Dieses Verhalten beobachtet auch Markus A. Klinkner (46) vom Vorstand der Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich (Vioz). «Muslime stossen immer wieder auf Ablehnung», sagt er. Nicht nur in der Politik.
In der Feuerwehr brauche es dann plötzlich doch keinen zusätzlichen Mann, wenn sich herausstelle, dass der Bewerber Muslim sei. «Oder versuchen Sie mal, als Kopftuchträgerin im Zürcher Unterland in gewissen Gemeinden eine 1.-August-Feier zu besuchen. Das kommt nicht immer gut an», so Klinkner.
«Habt mehr Mut, euch zu exponieren»
Klinkner ist Schweizer, aber vor etwa 20 Jahren zum Islam konvertiert. Er kennt beide Welten und findet, die Mehrheitsgesellschaft müsse ihre Türen öffnen – doch die Muslime müssten auch hindurchgehen. Sein Appell an die Muslime: «Nehmt noch mehr teil – meldet euch in einem Verein an. Aber nicht grad zu fünft auf einmal, das verschreckt vielleicht die Leute.»
Auch Fids-Mann Günes appelliert an seine Glaubensbrüder und -schwestern: «Habt mehr Mut, euch zu exponieren und keine Angst vor Rückschlägen.» Doch nicht nur die Muslime müssten sich bewegen, auch die Schweizer sollten sich öffnen: «Wenn wir uns zum Jahresanfang etwas wünschen dürfen: Schaut hinter das Etikett und nehmt uns als Person wahr!
Bern – Das Umfrageinstitut GfS Bern hat erstmals gezielt Muslime zu ihrem Verhältnis zu Staat und Gesellschaft befragt. Die Pilotstudie ist aufschlussreich, aber nicht repräsentativ. Zudem ist sie umstritten, weil die Umfrage von der UETD Switzerland in Auftrag gegeben wurde, der Auslands-Lobbyorganisation des türkischen Präsidenten Erdogan.
Bern – Das Umfrageinstitut GfS Bern hat erstmals gezielt Muslime zu ihrem Verhältnis zu Staat und Gesellschaft befragt. Die Pilotstudie ist aufschlussreich, aber nicht repräsentativ. Zudem ist sie umstritten, weil die Umfrage von der UETD Switzerland in Auftrag gegeben wurde, der Auslands-Lobbyorganisation des türkischen Präsidenten Erdogan.