Der Umgangston in der Schweizer Politik ist seit Jahren rauer geworden. Dafür trägt die SVP einen grossen Teil der Verantwortung. Besonders seit der Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat fahren ihre Exponenten schweres Geschütz auf.
Lieblingsziel der SVP-Scharfschützen war während acht Jahren Blochers Nachfolgerin Eveline Widmer-Schlumpf. Die damalige SVP-Frau wurde als Verräterin angesehen und aus der Partei geschmissen, weil sie die Wahl annahm und die BDP mitbegründete.
Die Bündnerin war sich deshalb bereits bei ihrem Amtsantritt bewusst: Eine konstruktive Zusammenarbeit mit der SVP würde es für sie nie mehr geben. Und tatsächlich stand die Bundesrätin während ihrer achtjährigen Amtszeit unter Dauerbeschuss.
Der abgewählte Nationalrat und SVP-Programmchef Christoph Mörgeli wetterte in seiner «Weltwoche»-Kolumne ganze 30 mal gegen die Intimfeindin. Zuletzt vor drei Wochen warf er ihr im Zusammenhang mit der Hildebrand-Affäre vor, das Volk «belogen» zu haben.
Doch auch Chefredaktor Roger Köppel arbeitete sich gerne an Widmer-Schlumpf ab. Immerhin 29 mal schrieb er über sie – selten in positivem Kontext. Das alles prallte an ihr ab. Auf die happige Kritik reagierte sie kaum einmal – sie vermied es auch wenn immer möglich, die drei Buchstaben «SVP» in den Mund zu nehmen.
Seit ihrem Rücktritt konzentriert sich das Sperrfeuer der SVP nun auf die Berner SP-Frau Sommaruga. Tatsächlich war sie Köppel bereits in den letzten vier Jahren noch mehr Artikel (39) wert als Widmer-Schlumpf.
Und die Justizministerin hat offenbar Mühe mit den ständigen Attacken – diese Woche riss ihr der Geduldfaden. Sommaruga dürfte wohl darauf gehofft haben, dass sie als Verantwortliche für das Asylwesen mit der SVP zumindest einigermassen konstruktiv zusammenarbeiten könnte. Schliesslich regiert sie sachlich und macht kaum «linke» Flüchtlingspolitik.
Diese Hoffnung hat sich mit dem Referendum gegen ihre Asylreform und den jüngsten Angriffen zerschlagen. Das ist für die SP-Bundesrätin frustrierend. Denn als Gemeindepräsidentin von Köniz BE, Ständerätin und Konsumentenschützerin konnte sie mit der seltener eintreffenden Kritik noch bestens umgehen.
Einfach werden die nächsten Monate für Sommaruga nicht. Doch vielleicht gelingt ihr am 5. Juni ein glorreicher Sieg gegen die unliebsame Volkspartei. Ein Ja zur Asylgesetzrevision wäre für sie ein Befreiungsschlag.
PS: Eveline Widmer-Schlumpf hat in der letzten Legislatur sämtliche Abstimmungen gewonnen. (vuc)