Grün sind die Teppiche auf dem Boden der An’Nur-Moschee in Winterthur ZH. Grün, wie die Farbe des Propheten Mohammed.
Mehrere Dutzend Männer haben sich am Freitag in der Moschee zum Gebet versammelt, viele ältere, aber auch Grüppchen von Jugendlichen mit langen Bärten und nach hinten gekämmten Haaren. Sie tragen halblange Hosen und lange Hemden, stecken die Köpfe zusammen, sprechen mal Deutsch, mal Albanisch.
Es ist kein normaler Freitag in der An’Nur-Moschee. Seit den Terroranschlägen von Paris steht das Gebetshaus im Fokus von Öffentlichkeit und Behörden. Weil ein Imam der Moschee Verbindungen zum IS hat, wie der Journalist Kurt Pelda diese Woche aufdeckte. Mehrere Jugendliche zogen von Winterthur in den Dschihad nach Syrien.
An diesem Freitag kommt Imam A. E.* nicht in die Moschee. Die Gläubigen nennen ihn hochachtungsvoll Sheikh Mohammed. Er ist eine Instanz in der An’Nur – und kein unbeschriebenes Blatt.
In Libyen kämpfte der etwa 39-Jährige gegen Diktator Gaddafi, gehört der Libyan Islamic Fighting Group an. Nach der Jahrtausendwende kam er in die Schweiz, heiratete eine Schweizerin und predigte im Moschee-Verein Arrahma – bis der 2008 geschlossen wurde. Gegen vier Mitglieder wurde wegen Hehlerei ermittelt.
Nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes reist E. heute wieder oft in seine Heimat, ist teils monatelang dort. Nach Angaben der «Weltwoche» soll er auch in die IS-Hochburg Sirte reisen. Die «SonntagsZeitung» berichtet, er sei während eines Besuchs dort verwundet worden.
Unklar ist, was E. in Libyen tut. Bringt er Geld von dort in die Schweiz, um hier Dschihadisten zu finanzieren?
Fest steht: Nach aussen geben sich der Libyer und An’Nur äusserst gemässigt. Tatsächlich haben viele Moscheebesucher mit dem IS nichts am Hut. Doch in kleinen Gruppen wird der Hass auf den Westen gesät, wie mehrere Gläubige gegenüber SonntagsBlick bestätigen. Die Treffen finden unter anderem in einem Raum mit verdunkelten Fenstern in der Moschee statt. Keiner der Besucher kann dort hineinschauen, nur wenige Ausgewählte haben den Schlüssel dafür – unter anderem Mitglieder der radikalen Koran-Verteilaktion «Lies!».
Es mutet seltsam an, wenn Präsident Atef Sahnoun (49) betont, dass in seiner Moschee kein Platz für Radikale sei. Sheikh Mohammed sei als Aushilfs-Imam in der Moschee tätig. Seine Predigten seien nicht zu beanstanden. «Er ist der friedlichste Mensch, den ich kenne.»
Sahnoun sagt, der Vorstand habe nach den Anschlägen von Paris Sofortmassnahmen ergriffen. «Nach Möglichkeit» solle jetzt immer jemand vom Vorstand bei den sogenannten «Sunnah-Lesungen» dabei sein – und kontrollieren, was dort gepredigt werde. Allerdings, so Sahnoun, seien es über 100 Leute, die regelmässig die Moschee besuchten. «Da verliert man schnell den Überblick.»
Unter den Moscheegängern ist auch Achmed, ein junger Mann von Anfang 20. Er soll im Sommer nach Syrien gereist sein. Mittlerweile ist er zurück in der Moschee. Dort wird er bewundert von den Jugendlichen, welche die Reise in den Dschihad noch nicht angetreten haben.
Einer, der ihn kennt, sagt: «Er hat sich total verändert, ist total distanziert, ein Einzelgänger.» Über das, was er bei seiner Reise erlebt hat, redet er nur mit Ausgewählten. «Sie passen extrem auf, wem sie was sagen», sagt ein anderer.
Nicht nur Jugendliche und junge Erwachsene spüren die Radikalität. SonntagsBlick sprach mit Frauen, deren Männer die Moschee regelmässig besuchen – und die besorgt sind über die radikalen Tendenzen. Eine erlebte mit, wie der Mann einer Kollegin immer extremer in seinen Ansichten wurde. «Er wollte seine Tochter nicht mehr in den Schwimmunterricht lassen, sein Sohn durfte nicht mehr zum Fussball.»
Seine Frau habe er zudem gezwungen, daheim zu bleiben – und das Haus nur in männlicher Begleitung zu verlassen. «Die Verantwortlichen in der Moschee tun zu wenig gegen die Radikalen», sind sich die Frauen einig. Sie selbst haben offenbar nicht die Kraft, ihren Männern etwas entgegenzusetzen – auch und gerade dann, wenn es darum geht, dass die Islamisten aus der An’Nur-Moschee ihre eigenen Kinder radikalisieren. Schon kleinen Buben zeigen sie Terror-Videos des IS, lassen sie auf Fotos mit schwarzer Fahne und erhobenem Zeigefinger posieren – es ist das Zeichen des IS.
Auf den Teppichen der Moschee lernen die Buben, den Koran zu lesen und das Kickboxen. Viele der Jugendlichen dort sind in der Kickbox-Szene aktiv. Wenn es ihnen die Kleinen gleichtun, so berichten Zeugen, sei es bereits mehrmals zu Zwischenfällen gekommen – weil die Kinder ihre Kräfte nicht so recht einschätzen können.
Und damit nicht genug: Im Internet posten die Islamisten-Väter unzählige Fotos ihrer Kinder mit dem IS-Zeigefinger. Einer zeigt stolz das Gemälde seines Sohnes – US-Präsident Obama soll darauf zu sehen sein – als Schwein, das unreinste Tier überhaupt im Islam.
Auch der Sohn von Imam E. fiel bereits auf – weil er 2012 in der Schule Schriften des deutschen Hasspredigers Pierre Vogel verteilte und für den Islam missionierte.
Den Behörden ist Imam E. wohlbekannt. Trotzdem lassen sie ihn weiter sein radikales Gedankengut verbreiten. Vermutlich auch, weil sich der IS-Pate von Winterthur nach aussen, wie alle Islamisten, ganz gemässigt gibt. E. wollte auf Anfrage von SonntagsBlick keine Stellung zu den Vorwürfen nehmen.
Am Freitag stand die An’Nur- Moschee ganz demonstrativ unter Beobachtung – wohl zum ersten Mal: Drei Polizisten in zivil kontrollierten aus einem Streifenwagen heraus alle Nummernschilder der Autos, die zur Moschee fuhren.
Ob das reicht, den dunklen Machenschaften im Inneren des Gebetshauses ein Ende zu setzen, ist fraglich.