Im Zuge der Stalking- und Belästigungsvorwürfe rund um CVP-Nationalrat Yannick Buttet (40, VS) war die Genfer SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz (38) eine der wenigen, die öffentlich über den selbst erlebten Sexismus im Bundeshaus sprach. Ein Ratskollege habe ihr gegenüber «eine unangemessene Bewegung» gemacht, erzählte die SVP-Vizepräsidentin. Und sie steige «mit gewissen Leuten nicht mehr in den Lift».
Übles Nachspiel
Ihre Offenheit hat ein übles Nachspiel in der eigenen Partei. So spottete SVP-Nationalrat Roger Köppel (52, ZH) in der «Weltwoche» über Amaudruz: «Eine Politikerin, die ich noch nie ohne kurzen Rock oder hautenge Bluse gesehen habe, beschwert sich, sie würde mit gewissen Herren niemals in den Lift steigen.»
Und in der Fraktionssitzung letzte Woche wurde die Genferin von Ex-Fraktionschef Adrian Amstutz (64, BE) abgeputzt, sie dürfe nicht nur öffentliche Anschuldigungen machen, sondern solle gefälligst auch Namen nennen, wie der SonntagsBlick publik machte.
Céline Amaudruz verteidigt sich
Jetzt wehrt sich Amaudruz in der «Tribune de Genève». Sie bestätigt Amstutz' Attacke und meint: «Wir sind bei diesem Thema offensichtlich nicht gleicher Meinung.» Sie sehe auch nicht, wie sie mit ihrem Vorgehen der SVP hätte Schaden zufügen können.
«Ich bin der Ansicht, dass die Tatsache, eine politische Frau zu sein, mich nicht dazu verpflichtet, das öffentlich auszubreiten, was meiner Ansicht nach eine Verletzung meiner Würde als Frau ist und meiner Privatsphäre unterliegt», betont die SVP-Nationalrätin.
SP-Nationalrätin Yvonne Feri kritisiert Amstutz
SP-Nationalrätin Yvonne Feri (51) eilt Amaudruz zu Hilfe. «Das Verhalten von Amstutz ist inakzeptabel und untragbar», sagt die Aargauerin. «Es ist ein abschreckendes Beispiel, das zeigt, warum sich viele Frauen nicht zu äussern wagen. Sobald man sich äussert, wird man in die Ecke gedrängt, naiv hingestellt und bekommt Probleme.» Dabei sei es extrem mutig von Amaudruz gewesen, öffentlich über das Thema zu reden.
Feri weiss, wovon sie spricht. Sie selbst hat erzählt, wie sie einst von einem Lokalpolitiker ungewollt einen Kuss auf die Stirn erhielt. Bis heute wird sie für diese Aussage attackiert – jüngst in einem Meinungsartikel in der Aargauer Regionalzeitung «Die Botschaft»: «Ich glaube, diese Person war wohl völlig besoffen oder wollte Frau Feri wegen ihres Aussehens trösten», beleidigt dort der frühere Oberstufenlehrer Peter Richard (73) die Nationalrätin, wie die «Aargauer Zeitung» berichtete.
«Ich würde es trotzdem wieder machen», so Feri. Dass Amaudruz keine konkreten Namen nennen wollte, dafür hat sie aber Verständnis. «Es ist nicht in allen Fällen nötig, jemanden öffentlich an den Pranger zu stellen. Es braucht aber eine Anlaufstelle mit einer Vertrauensperson, um Grenzüberschreitungen in einem mehrstufigen Verfahren gezielt anzugehen.»
Wenig Rückendeckung aus der SVP
In der SVP selbst hat Amaudruz einen schweren Stand. SVP-Chef Albert Rösti (50) will den Fall nicht kommentieren. Es handle sich um eine vertrauliche Diskussion und eine interne Angelegenheit, winkt er ab.
Auch SVP-Nationalrätin Nadja Pieren (37, BE) lässt ihre Parteikollegin im Regen stehen. Zum Vorfall in der Fraktion will sich Pieren nicht äussern. «Das ist eine Sache zwischen Amstutz und Amaudruz», sagt Pieren.
Grundsätzlich hält sie aber fest: «Als selbstbewusste Frauen begegnen wir unseren Kollegen im Bundeshaus auf gleicher Augenhöhe und sollten uns wehren können.» Wer von jemandem belästigt werde, solle die betroffene Person direkt ansprechen und allenfalls anzeigen. «Monate später in den Medien mit anonymen Anschuldigungen zu kommen und alle unter Verdacht zu stellen, das ist unfair.»
Rückendeckung erhielt Amaudruz immerhin von SVP-Nationalrat Jean-François Rime (67), wie er im SonntagsBlick bestätigt: «Diese Aussagen waren inakzeptabel. Ich musste mich für Céline wehren!»
Ich gebe zu: Die SonntagsBlick-Redaktion wären der Versuchung fast erlegen. Beinahe hätten wir eine Umfrage bei den Bundesparlamentariern lanciert. Die Frage: Wie verbreitet ist Alkoholismus im Bundeshaus?
Den Anstoss gab eine Mitteilung von Yannick Buttet. Zu Wochenbeginn erklärte der Walliser CVP-Nationalrat: Er habe ein Alkoholproblem und begebe sich darum in Behandlung. Auch ist es kein Geheimnis, dass im Bundeshaus ausgeschenkt wird wie in einer Alki-Knelle. Und jetzt, da landauf, landab feuchtfröhliche Weihnachtsfeiern anstehen, passte das Thema ohnehin gut in die Zeit.
Wir haben auf die Umfrage dennoch verzichtet. Beim Fall Buttet geht es um sexuelle Übergriffe – es geht nicht um Alkohol. Der Mann wird beschuldigt, eine Frau gestalkt und weitere Frauen belästigt zu haben. Der Alkohol kam erst auf die Agenda, nachdem Buttet einen mit allen Wassern gewaschenen Anwalt engagiert hatte.
Die Öffentlichkeit ist in der Regel gewillt, einem reumütigen Sünder zu verzeihen. Erst recht jemandem, der sich als (alkohol-)krankes Opfer outet. Was Yannick Buttet nun aber vorführt, ist das Gegenteil von Reue: Es ist ein zynisches Ablenkungsmanöver.
Gieri Cavelty, SonntagsBlick-Chefredaktor
Ich gebe zu: Die SonntagsBlick-Redaktion wären der Versuchung fast erlegen. Beinahe hätten wir eine Umfrage bei den Bundesparlamentariern lanciert. Die Frage: Wie verbreitet ist Alkoholismus im Bundeshaus?
Den Anstoss gab eine Mitteilung von Yannick Buttet. Zu Wochenbeginn erklärte der Walliser CVP-Nationalrat: Er habe ein Alkoholproblem und begebe sich darum in Behandlung. Auch ist es kein Geheimnis, dass im Bundeshaus ausgeschenkt wird wie in einer Alki-Knelle. Und jetzt, da landauf, landab feuchtfröhliche Weihnachtsfeiern anstehen, passte das Thema ohnehin gut in die Zeit.
Wir haben auf die Umfrage dennoch verzichtet. Beim Fall Buttet geht es um sexuelle Übergriffe – es geht nicht um Alkohol. Der Mann wird beschuldigt, eine Frau gestalkt und weitere Frauen belästigt zu haben. Der Alkohol kam erst auf die Agenda, nachdem Buttet einen mit allen Wassern gewaschenen Anwalt engagiert hatte.
Die Öffentlichkeit ist in der Regel gewillt, einem reumütigen Sünder zu verzeihen. Erst recht jemandem, der sich als (alkohol-)krankes Opfer outet. Was Yannick Buttet nun aber vorführt, ist das Gegenteil von Reue: Es ist ein zynisches Ablenkungsmanöver.
Gieri Cavelty, SonntagsBlick-Chefredaktor