Dass der politische Vorstoss persönlich motiviert ist, streitet Maximilian Reimann nicht ab. Mit seinen 74 Jahren der älteste Parlamentarier in Bundesbern, hat der SVP-Nationalrat eine parlamentarische Initiative lanciert, der die untere Altersgrenze für Fahrtauglichkeitstests von 70 auf 75 Jahre erhöhen will. Gestern nun hat mit dem Ständerat auch die zweite Kammer seinem Begehren Unterstützung zugesprochen – mit knappen 22 zu 19 Stimmen.
Er fühle sich von der Regelung diskriminiert, so die Begründung von SVP-Urgestein Reimann. Er fühlt sich fit und absolut fahrtauglich – und er ist der Überzeugung, dass dies nicht nur bei ihm, sondern bei einer grossen Mehrheit der heutigen Senioren Anfang 70 der Fall ist.
Die Lebenserwartung der Schweizer sei in den vergangenen 40 Jahren um sechs bis sieben Jahre gestiegen, die Senioren seien «geistig und physisch rüstiger geworden», führte er bei den Debatten im Parlament aus. Eine Anpassung der Alterslimite sei deshalb «mehr als angebracht».
Verkehrsmediziner vom Entscheid «schwer enttäuscht»
Dass nun auch der Ständerat diese Meinung stützt, kann Verkehrsmediziner Rolf Seeger von der Uni Zürich nicht nachvollziehen. Er sei vom Entscheid «schwer enttäuscht», sagt er im Interview mit dem «Bieler Tagblatt». Es stimme zwar, dass die meisten 70-Jährigen heute die Anforderungen erfüllten «oder mit einer Operation oder einer Brille zum Beispiel ihr Sehvermögen auf einfache Weise verbessern können». Doch häufig würden sie dies erst nach der Kontrolle beim Arzt tun, weil sie sonst nicht mehr Autofahren dürften.
Zudem habe eine höhere Lebenserwartung keinen Einfluss darauf, wie häufig Demenz-Erkrankungen auftreten würden, sagt Seeger. Er gehe davon aus, dass über fünf Prozent der 70-Jährigen die medizinischen Bedingungen zum Lenken eines Fahrzeuges nicht mehr erfüllen. Die Folge: «Ich rechne mit einigen Toten und mehreren Dutzend Schwerverletzten pro Jahr mehr, wenn diese Regelung in Kraft tritt.»
Junglenker gefährlicher als Senioren
Dieser Ansicht widerspricht die Beratungsstelle für Unfallverhütung. Man gehe davon aus, dass die Anhebung des Alters keine negativen Effekte haben würde, sagt Sprecher Daniel Menna zu BLICK. «Dies, da es Zweifel daran gibt, ob die ärztlichen Untersuchungen überhaupt positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben.»
In der Schweiz gebe es bisher keine Studien dazu. Menna: «Deshalb hätten wir uns auch gewünscht, dass man nicht so sehr über diese fünf Jahre mehr oder weniger debattiert, sondern die Untersuchungen als solche wissenschaftlich unter die Lupe nimmt.»
Zudem werde das Risiko der Senioren für die übrigen Verkehrsteilnehmer häufig überschätzt. Nur bei jedem achten Unfall mit Todesfolge sei ein autofahrender Senior beteiligt. «Das höchste Unfallrisiko pro gefahrenen Kilometer weisen nach wie vor die Junglenker auf.» (lha)