Wochenlang warteten die Selbständigen auf ein Zeichen des Bundesrats: Hunderttausende, die zwar grundsätzlich arbeiten dürften, aber wegen der Pandemie faktisch nichts zu tun haben.
Keine Arbeit aber heisst für viele Taxifahrer oder Physiotherapeutinnen: kein Lohn. Lange taten sich die Zuständigen schwer, für dieses Dilemma eine Lösung zu finden (SonntagsBlick berichtete). Am Donnerstag beschloss die Landesregierung, die indirekt betroffenen Selbständigen doch noch zu unterstützen: mit maximal 196 Franken pro Tag. Insgesamt rechnet der Bund mit zusätzlichen Ausgaben von 1,3 Milliarden Franken in den nächsten zwei Monaten. Allerdings dürfen nur Selbständige mit einem Jahreseinkommen von 10'000 bis 90 '000 Franken einen Anspruch geltend machen.
127 '000 fallen durch die Maschen
Laut dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) trifft dies bei rund 143'000 Personen zu, 127 '000 fallen durch die Maschen. Diesem Entscheid ging ein Seilziehen in der Landesregierung voraus. Gut informierte Quellen berichten, dass sich der Finanzminister gegen das letztlich beschlossene Hilfspaket gestemmt haben soll. Bundesrat Ueli Maurer (69) schwebte dem Vernehmen nach eine viel restriktivere Lösung vor. Statt eines jährlichen Einkommens von 90'000 Franken plädierte er offenbar für eine Obergrenze von 45'000 Franken, kam damit jedoch nicht durch.
Hätte Maurer im Bundesrat obsiegt, wären mit einem Federstrich rund 46'000 Selbständige vom Erwerbsersatz ausgeschlossen worden und die Gruppe der Berechtigten auf einen Schlag um ein Drittel geschrumpft. Die Folgen für die Betroffenen wären unschwer auszumalen: Viele hätten ihr Geschäft kaum retten können. Es scheint, als werde der Finanzminister von der Sorge getrieben, dass etliche Selbständige die staatliche Hilfe lieber länger kassieren wollen, als rasch die Arbeit aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund wird auch die Untergrenze für Jahreseinkommen ab 10 '000 Franken verständlicher: Selbständige, die weniger verdienen, können auch künftig keine Ausfälle geltend machen.
Die Einigkeit im Bundesrat ist vorbei
Im Übrigen hat Ueli Maurer offenbar vergeblich versucht, auch Landwirte vom Corona-Erwerbsersatz auszuschliessen – mit dem Hinweis auf die jährlichen Direktzahlungen, die sie bereits aus der Staatskasse erhalten. Für einen Magistraten, der einst den Zürcher Bauernverband führte, ist das eine bemerkenswerte Argumentation.
Mit der nach aussen demonstrierten Einigkeit des Bundesrates dürfte es jedenfalls vorbei sein. Der Erwerbsersatz für Selbständige ist dafür nur das jüngste Beispiel. Am Freitag berichtete der «Tages-Anzeiger» bereits über Maurers glücklosen Versuch, die in Aussicht gestellten Lockerungen für die Wirtschaft schneller in Angriff zu nehmen. Auch in diesem Punkt habe der Finanzminister mit dem stetig wachsenden Loch im Bundeshaushalt argumentiert.
Die Auseinandersetzung darüber, welche Rolle der Staat bei der wirtschaftlichen Bewältigung der Corona-Krise spielen soll, markiert eine Bruchlinie in der Schweizer Politik. Maurers Vorgehen zeigt: Worüber die Parteistrategen streiten, sorgt längst auch im Bundesrat für dicke Luft.