Zwei Monate vor den bayerischen Landtagswahlen stehen die Zeichen auf Sturm. Sämtliche Umfragen deuten darauf hin, dass die Christlich Soziale Union (CSU) im Oktober ihre absolute Mehrheit verlieren wird. Am Ende könnte sie bis auf 38 Prozent der Wählerstimmen absacken – 2013 erreichte sie beinahe zehn Punkte mehr.
Die Christsozialen werden von der Alternative für Deutschland (AfD) gejagt. Den Rechtspopulisten trauen die Wahlforscher bis zu 15 Prozent zu. Zum ersten Mal muss die CSU um jede einzelne Stimme kämpfen. So etwas hat es im Freistaat noch nie gegeben!
Und so macht sich jetzt auch der deutsche Innenminister Horst Seehofer auf den Weg in die bayerische Wahlschlacht; er ist der Vorsitzende der bedrängten Staatspartei.
Also raus aus dem ungeliebten Berlin, wo ihn seine Mitarbeiter wegen seiner sehr begrenzten «Arbeitswut» als «Minister Di-Mi-Do» (Dienstag bis Donnerstag) verspotten.
Den Kritikern entfliehen
Weg von den Hauptstadtjournalisten, die ihn als «Ankündigungsminister» lächerlich machen, der keine konkreten Erfolge zu präsentieren hat.
Also düste der «Heimatminister» am Donnerstag ins verlängerte Heimatwochenende – zu einem Abstecher nach Töging am Inn. Es ist sein erster Bierzelt-Auftritt seit Wochen. Reden vor einem Publikum von Angetrunkenen gelten in Bayern als Gradmesser der Popularität. Dort ist emotionalste politische Polemik zu Hause. Dort nimmt man es, zum Wohle der Partei, mit der Wahrheit nicht immer so genau.
Wie bereits in den Wochen zuvor wehrte sich der Vorsitzende auch in der hölzernen Bierhalle von Töging gegen «Fake News», die über ihn verbreitet würden. «Jetzt steht der böse Seehofer vor Ihnen – der Mörder, der Terrorist, der Rassist» – dies hatte sich der beleidigte «Di-Mi-Do»-Minister als polemischen Einstieg in seine Rede ausgedacht.
Doch ausserhalb der Bierhalle zündete der Trick nicht. Die innerparteiliche Kritik am Kurs von Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder, der AfD das Wasser von rechts aussen abzugraben, liess auch nach dieser Rede nicht nach. Keine Spur von der erhofften Geschlossenheit der CSU.
Fremdenfeindliches Vokabular
Seehofer und die Seinen versuchen ein politisches Spiel mit hohem Risiko. Während der Eindruck des Stillstands und der Entscheidungsunfähigkeit in Berlin wächst, verwenden konservative Volksvertreter ein zunehmend fremdenfeindliches Vokabular. Damit wollen sie das Vordringen rechtspopulistischer Inhalte in die Mitte der Gesellschaft wenigstens eindämmen – denn 27 Prozent der Deutschen erklärten gerade in einer Umfrage, mit der Demokratie wenig oder gar nicht zufrieden zu sein.
Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch, dass die Verteidiger der liberalen Demokratie in der Bevölkerung lauter werden: Bei aller Kritik im Detail unterstützt eine überwältigende Mehrheit offensichtlich das bestehende System.
Statt polemischer Parolen bräuchte diese Mehrheit dringend die Unterstützung der konservativen Kräfte um Horst Seehofer. Die aber ähneln in ihrer Panik vor den Rechtspopulisten zunehmend jenen Verwirrten, die aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen.