Schwierige GroKo-Verhandlungen in Berlin
Der ungeliebte Kompromiss

Auf dem Weg zu einer neuen deutschen Regierung machen die Unterhändler der Unionsparteien und der Sozialdemokraten Fortschritte. Das mögliche Ergebnis macht vielen aber jetzt schon Bauchschmerzen.
Publiziert: 03.02.2018 um 19:17 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:23 Uhr
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Nach wie vor ist der Widerstand in der SPD gegen eine erneute Grosse Koalition mit CDU und CSU gross.
Foto: Thorsten Wagner

Die Koalitionsverhandlungen in Berlin sind in der vorletzten Runde. Oder der vor-vorletzten. Oder... Aber an ein Scheitern der Gespräche wollen die Spitzen der deutschen Christdemokraten und Sozialdemokraten zumindest derzeit gar nicht erst denken.

Deutschland hat seit dem 24. September letzten Jahres nur noch eine geschäftsführende Regierung. Eine Neuauflage der Grossen Koalition (GroKo) ist die letzte Chance, Neuwahlen doch noch zu verhindern.
Aber zu viel steht vor allem für SPD-Chef Martin Schulz auf dem Spiel, um jetzt so kurz vor dem Ziel doch noch den Bettel hinzuwerfen.

Weiter starker Widerstand in der SPD

«Nie wieder GroKo», hatte Schulz noch vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses im September erklärt. Dafür war er vor allem von dem linken Flügel seiner Partei bejubelt worden. Nachdem die «Jamaika»-Verhandlungen der Unionsparteien mit Grünen und Liberalen im November 2017 geplatzt waren, musste Schulz - zum Ärger vieler Sozialdemokraten - diesen Schwur brechen.

Martin Schulz kämpft nicht nur für eine erneute Grosse Koalition, sondern auch um seine eigene politische Zukunft.
Foto: EPA / Clemens Bilan

Jetzt hat er den Genossen versprochen, der angeschlagenen noch-Kanzlerin Angela Merkel ein sozialdemokratisch geprägtes Regierungsprogramm abzuringen. Die Parteibasis wird über das Ergebnis und damit die nächste Regierungskoalition abstimmen. Doch das, was bisher aus den Berliner Verhandlungen bekannt geworden ist, dürfte den Widerstand vor allem der linken Jungsozialisten nicht brechen. Ihr stärkster Verbündeter sind die derzeitigen Umfragen, denen zufolge die SPD seit Beginn der Verhandlungen auf nur noch 18 Prozent der Wählerstimmen zählen könnte.

So wenig Lust auf sozialdemokratisch mitbestimmte Politik gab es im Nachkriegsdeutschland noch nie.

«Das Ergebnis wird immer nur ein Kompromiss sein»

Dabei hat die SPD-Delegation durchaus Erfolge vorzuweisen. In Bereichen wie Bildung, Pflege und Rente, bei Klimaschutz, Energie, Verkehr und Justiz, ja sogar beim Thema Migration haben die Sozialdemokraten durchaus ihre Duftmarken setzen können.

Beweis dafür war eine Einigung der Möchtegern-Koalitionäre beim Thema Familiennachzug für Geflüchtete. Zwar hat es die von der SPD geforderte völlige Aufhebung des derzeitigen Verbots nicht gegeben. Aber der mit der Union ausgehandelte Kompromiss war gut genug, um die Sozialdemokraten im Bundestag am vergangenen Donnerstag zur Zustimmung einer neuen gesetzlichen Regelung zu bringen.

Für SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gibt es noch viel zu tun bei den GroKo-Verhandlungen
Foto: Ute Grabowsky

Dennoch, hat SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gewarnt, «liegt bis zum Erfolg noch eine weite Strecke vor uns». Das mögen viele als verhandlungstaktischen Druck auf die Unionsparteien verstanden haben. Doch Klingbeils Warnung gibt durchaus die Stimmung innerhalb der Partei wieder. Die Mahnung von Martin Schulz, dass «das Ergebnis aller Verhandlungen immer nur ein Kompromiss sein kann», ist dort nicht gut angekommen. Je mehr Themenbereiche die GroKo-Unterhändler als abgehakt erklärt haben, um so stärker wird an der SPD-Basis das Verlangen nach allem oder nichts.

Auch Merkel gerät stärker unter Druck

Dieses sozialdemokratische Klammern an unerfüllbare Maximalforderungen bringt auf der anderen Seite des Verhandlungstisches Angela Merkel unter Druck. Mit ihrer ruhigen und bedächtigen Art hat sie es bislang noch geschafft, die Störer aus den eigenen Reihen in Schach zu halten. Doch auch in den Unionsparteien ist die Kanzlerin nicht mehr die unangefochtene starke Frau.

Die kleinere christsoziale Schwesterpartei steht im September vor einer schwierigen Landtagswahl. Die absolute Mehrheit der CSU im bayrischen Landtag ist gefährdet. In München versucht der designierte neue Ministerpräsident Markus Söder, die Partei auf den Kurs der populistischen Regierungen in Wien und Budapest zu trimmen. Nur so, glauben Söder und seine Anhänger, kann es gelingen, den Vormarsch der rechtspopulistischen AfD zu stoppen.

Das Ergebnis der GroKo-Verhandlungen sind auch wegweisend für die Zukunft von Angela Merkel als Bundeskanzlerin.
Foto: Reuters / Christian Mang

Und selbst in Merkels eigener CDU wächst angesichts der AfD-Erfolge der Druck auf die Kanzlerin, das Programm einer künftigen Regierung mehr am Gebrüll auf den deutschen Plätzen zu orientieren.

Die Forderungen nach einer neuen konservativen und zugleich sozialdemokratischen Regierungspolitik - für Angela Merkel die Quadratur des Kreises!

Dennoch: Niemand in Berlin treibt derzeit das Scheitern der Koalitionsgespräche aktiv voran. Die Meisten rechnen immer noch damit, dass es innerhalb der nächsten Woche zu einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen und am Ende auch zu einer neuen Grossen Koalition kommen wird.

Ob das Ergebnis dann aber auch zu einer nicht nur für Deutschland, sondern für Europa insgesamt guten Regierungspolitik führen wird - das steht auf einem ganz anderen Stern.

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