Sie geriet in einen Shitstorm, weil sie eine Rolex trägt: Die Debatte um die deutsche SPDPolitikerin Sawsan Chebli (40), an deren Handgelenk eine über 6000 Franken teure Uhr prangt, sorgt unter Schweizer Sozialdemokraten für Kopfschütteln.
«Als ehemaliger Bieler Gewerkschaftssekretär freut es mich natürlich, dass sie eine Uhr mit Bieler Wurzeln trägt», meint SP-Nationalrat Corrado Pardini (53) schmunzelnd, als ihn BLICK auf das Thema anspricht. Da hört für den Berner Politiker der Spass dann aber auch schon auf.
Debatte sei sexistisch
Pardini findet es sexistisch, dass die Debatte ausgerechnet bei einer jungen Frau ins Rollen kommt. «Das finde ich symptomatisch», sagt er. «Man muss die Menschen nach ihren Inhalten beurteilen, nicht nach ihrem Äusseren.»
Auch SP-Nationalrat Fabian Molina (28) zweifelt daran, dass eine Rolex am Handgelenk eines älteren SPD-Mannes die gleiche öffentliche Diskussion ausgelöst hätte. «Ich habe schon einige männliche Sozialdemokraten mit durchaus teureren Accessoires gesehen. Aber bei Männern löst das keinen Shitstorm aus.»
Auch Krawattenträger könnten Sozis sein
Abgesehen davon findet Molina die Diskussion «völlig gaga». «Die gute Frau darf tragen, was sie will. Wie der frühere chilenische Präsident Salvador Allende schon sagte: ‹Man ist kein besserer Sozialist, nur weil man schlecht angezogen ist›.»
Genauso sieht dies Nationalrats-Kollege Pardini. Sein Aussehen – den Berner trifft man stets im Anzug an – gebe auch immer wieder zu reden, erzählt er. «Anzunehmen, dass sich jemand, der Krawatte trägt, nicht für Arbeiter einsetzen kann, ist Blödsinn. Schöne Kleidung ist immer auch Respekt gegenüber der Situation.» Seine Uhr, eine Omega, habe 3000 bis 3500 Franken gekostet. So genau wisse er das nicht mehr – schliesslich trage er sie sicher schon 15 Jahre.
Rolex schweigt
Deutlich günstiger das Modell, das Molina trägt: Seine Uhr habe etwa 200 Franken gekostet, sagt er. «Aber auch ich leiste mir ab und zu gern etwas Schönes», so Molina. «Daran ist überhaupt nichts Verwerfliches.» Sozialdemokratie kämpfe für das Recht auf persönliche Selbstbestimmung. «Dazu gehört auch, dass man selbst entscheiden kann, was man mit dem eigenen Geld macht.»
Das findet auch Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan (38). «Ich selber würde mir keine Rolex-Uhr kaufen, vielmehr würde ich schauen, ob ich diese Mittel für andere Menschen oder Organisationen zur Verfügung stellen kann.» Sie habe aber auch Verständnis dafür, wenn sich andere Menschen etwas gönnen.
Rolex will sich zur ganzen Debatte auf Nachfrage von BLICK nicht äussern. Bekannt ist aber: Die Luxusuhren haben schon vor Jahrzehnten sogar bei den grössten Antikapitalisten Anklang gefunden. So trugen Che Guevara wie auch Fidel Castro stolz Rolex-Uhren. Damals warb Rolex noch mit dem Spruch: «A Time for Revolution».
«Mir sagt keiner, was Armut ist»
Sawsan Chebli selber lässt sich die Anfeindungen nicht bieten. Sie schlägt via Twitter zurück: «Wer von Euch Hatern hat mit 12 Geschwistern in 2 Zimmern gewohnt, auf dem Boden geschlafen & gegessen, am Wochenende Holz gehackt, weil Kohle zu teuer war? Wer musste Monate für Holzbuntstifte warten? Mir sagt keiner, was Armut ist. #Rolex»
Damit beschreibt sie ihre Kindheit. Cheblis Eltern flohen aus Palästina. Sawsan wächst mausarm in Berlin auf. Heute hat sie den Aufstieg geschafft.