Er hat eine Mission: Der oberste Schweizer Protestant, Gottfried Locher (50), unterschrieb mit dem religiösen Oberhaupt der Bosnier, Husein Kavazovic (52), eine Charta der gemeinsamen Werte. «Noch ist es nur Papier», sagt Locher. «Aber die Erklärung stärkt den religiösen Frieden.»
Dieser sei auch in der Schweiz «fragil», urteilt der Vorsitzende des Rats der Religionen und spielt den Ball auch der Politik zu. Er ist überzeugt: Gehe das Wachstum des Islams hierzulande nicht mit einer Anerkennung der hiesigen Werte einher, «wird es problematisch».
Und so bekennt er sich in der Erklärung von Sarajevo mit Kavazovic zur Gleichberechtigung der Geschlechter, zur Religionsfreiheit, zur Ablehnung von Gewalt im Namen der eigenen Religion und zur Achtung der demokratischen Werte. «Sollte jemand im Namen Christi morden, werde ich mich jedes Mal aufs Neue davon distanzieren», sagt er. «Das fordert der Vertrag auch bei Verbrechen auf muslimischer Seite.»
Diese Forderung kann man als Machtwort von Grossmufti Kavazovic an die Bosnier lesen. Was der Geistliche sagt, gilt als Anleitung für die bosnische Diaspora in der Schweiz.
Für ein friedliches Zusammenleben
Und genau dort knüpft Gottfried Locher an: «Die europäischen Muslime sind unser Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben», sagt er. «Auch wenn wir anders glauben und uns vieles trennt, uns eint – anders als bei einer rigiden Islamauslegung – eine gewisse europäische Auffassung des Miteinanders.» Religionsfriede brauche keine Übereinstimmung. «Aber wie soll man einen Dialog mit jemandem führen, der die Gleichberechtigung von Mann und Frau ablehnt?», sagt der Kirchenführer, der sich auch für ein Burkaverbot ausspricht.
Die Erklärung von Sarajevo könne daher Vorbildcharakter haben, hofft Locher. «Sie ist ein Denkanstoss an alle Menschen guten Willens: Imame, Pfarrer, Politiker und Wissenschaftler.»
Ohne diesen Grundkonsens fürchtet Locher Verhältnisse «wie beispielsweise in London»: «Dort gibt es Quartiere, in denen man nicht weiss, welche Art von Recht gilt.» Soweit dürfe es in der Schweiz erst gar nicht kommen. Mit seiner Erklärung kämpft er dagegen an. «Ich will nicht alarmistisch sein», sagt Locher. «Aber auch nicht naiv.»