Das Brexit-Beben erschüttert auch Bundesbern. Der Bundesrat hat die für heute Morgen angekündigte Medienkonferenz um rund zwei Stunden verschoben, an der Bundespräsident Johann-Schneider Ammann Stellung zum Votum bezog. Und auch die Parlamentarier mussten das Ergebnis erst einmal verdauen.
«Der Entscheid der Briten ist heftig», sagt Martin Naef, Zürcher SP-Nationalrat und Co-Präsident der Neuen Europäischen Bewegung Schweiz. «Heute ist kein guter Tag für Europa – und damit auch kein guter Tag für die Schweiz.»
Dieser Meinung ist auch CVP-Nationalrätin Kathy Riklin. «Ich bin geschockt», sagt sie zu BLICK. «Das war heute Morgen wortwörtlich ein böses Erwachen.»
«Es rächt sich, dass EU zu wenig demokratisch abgestützt ist»
Die grösste Angst der Aussenpolitikerin ist, dass es in der EU nun zum Dominoeffekt kommt. Besonders gross sei die Gefahr eines Nachfolge-Referendums in Italien und Frankreich. «In Italien feierten die EU-Gegner des Movimento Cinque Stelle jüngst Erfolg, in Frankreich könnte Marine Le Pen vom Front National übermütig werden», sagt Riklin.Dass ihre Befürchtungen wahr werden könnten, zeigt sich bereits heute. Italiens rechtspopulistische Lega Nord wie auch der französische Front National feiern den Brexit. «Sieg der Freiheit!», twitterte Le Pen. Wie sie es seit Jahren fordere, brauche es nun auch in Frankreich und den anderen EU-Staaten ein Referendum.
Für FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann ist deshalb klar: Die EU muss jetzt handeln. Der «historische Entscheid» werde die Union nun zu Reformen zwingen.
Reformen, die auf mehr Demokratie in der EU abzielen müssen, sagt SP-Nationalrat Tim Guldimann. «Es rächt sich jetzt, dass das Projekt EU zu wenig demokratisch abgestützt war. Die Union muss diese Aufgabe lösen.»
Die Auns jubelt
Nicht geschockt, sondern überaus erfreut ist man derweil auf Seiten der EU-Gegner. SVP-Nationalrätin Natalie Rickli twittert: «Ich gratuliere den Engländern zu ihrem Mut und zu ihrer Unabhängigkeit!»
Und die Aktion für eine unabhängige Schweiz (Auns), präsidiert von Lukas Reimann, erklärt den 24. Juni 2016 in einem Communiqué zum «Tag der Freude». Es biete sich nun «die historische Chance, Europa neu zu ordnen und Gemeinsamkeiten wie freiheitliche und demokratische Gesellschaften, starke Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und den wirtschaftlichen Freihandel zu festigen und zu fördern.»