Ab morgen blicken die Skifans gespannt nach St. Moritz GR. Im Engadin startet am Montag die Skiweltmeisterschaft. Mitten in diese freudige Zeit fällt ein weiterer Showdown: Am kommenden Sonntag stimmen die Bündner über einen 25-Millionen-Kredit ab, mit dem Graubünden seine Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2026 vorbereiten will. Das Ergebnis ist laut Beobachtern völlig offen. Bei einem Nein ist der Olympia-Traum aus.
In der Westschweiz ist keine Abstimmung nötig
Zusammen mit Bern, Waadt und Freiburg möchte Sitten als Gastgeberstadt den Mega-Event des Jahres 2026 ebenfalls ausrichten. Die Beiträge der vier Kantone liegen in den Budgetkompetenzen der Regierungen – deshalb müssen die Olympia-Enthusiasten in der Westschweiz nicht vors Volk.
Im Ringen um Olympia mischen zwei Linke ganz vorne mit, allerdings mit ganz unterschiedlichen Zielen. Die Bündner SP-Nationalrätin Silva Semadeni (64) will das Projekt in ihrem Heimatkanton unbedingt bodigen, bevor es überhaupt abhebt. SP-Ständerat Hans Stöckli (64) dagegen, Ex-Stapi von Biel BE, möchte den Sportanlass unbedingt in die Schweiz und seinen Kanton Bern holen.
Die beiden Parlamentarier – sonst in politischen Fragen ein Herz und eine Seele – sind für einmal diametral anderer Meinung. Für die Genossin wäre ein Zuschlag für ihre Region nicht zu verkraften. «Trotz gegenteiliger Versprechen des Olympischen Komitees sind nachhaltige, gigantische Spiele zu organisieren – mit hohen Kosten und Defiziten für die Steuerzahler», sagt Semadeni. Dafür sorge das eigennützige, korruptionsanfällige IOC mit seinen bis ins Detail vertraglich zu sichernden Vorgaben.
Stöckli: «Die Zeit ist reif für Winterspiele»
Hans Stöckli widerspricht: «Die Zeit für Olympische Winterspiele in der Schweiz ist reif.» Gerade der darbende Tourismus im alpinen Raum brauche dringend einen nationalen Masterplan, der alle vier Jahreszeiten berücksichtigt. «Olympische Spiele im Herzen der Schweiz sind Gold wert für die sportliche und gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes», so der Berner. Er hofft, dass vom IOC und Sponsoren über eine halbe Milliarde Franken in die Schweiz fliessen.
Silva Semadeni glaubt nicht an diese Impulse für den Fremdenverkehr: «Ein solch fremdbestimmtes Riesenprojekt ist sicher nicht das richtige Rezept zur Lösung der Probleme im alpinen Tourismus.»
Für Semadeni ist es Zwängerei
Für die Parlamentarierin ist die erneute Kandidatur nichts anderes als eine Zwängerei. Tatsächlich stimmten die Bündner erst vor vier Jahren über das gleiche Thema ab. Damals versenkten sie mit 53 Prozent Nein-Anteil eine Kandidatur. «Und dies nach der intensivsten, teuersten, flächendeckendsten Ja-Kampagne, die ich je in Graubünden erlebt habe», wie Semadeni betont.
Für Stöckli hat seine Westschweizer Bewerbung mehr Gewicht als jene der Bündner: In Graubünden lebten nur 200’000 Einwohner, in den vier Kantonen Bern, Wallis, Freiburg und Waadt hingegen ein Drittel aller Bewohner des Landes. Stöckli ist sogar überzeugt, eine allfällige Volksabstimmung gewinnen zu können. Immerhin habe er vor 20 Jahren die Leute schon für die Expo 02 hinter sich scharen können.
Olympia-Enthusiast Jürg Stahl
Sicher ist: Beim Dossier Olympia werden sich Semadeni und Stöckli nicht mehr einig. Einer, der sich voll und ganz für beide Kandidaturen einsetzt, ist Jürg Stahl (SVP, 49), Nationalratspräsident und Präsident von Swiss Olympic.
Die verbreitete Skepsis im Land könne er «teilweise» nachvollziehen, sagt der Winterthurer. «Die Grossereignisse in Sotschi, Peking oder Vancouver haben einen Gigantismus zelebriert, der uns Schweizern fremd ist.» Stahl hofft dennoch, dass eine Schweizer Kandidatur zustande kommt. «Denn die Olympischen Winterspiele wollen zurück in ihr Herz – in die Alpen.»