Am Ende steckte der Alt-68er in der Tracht. Beinahe ein Jahr dauerte der Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten in Österreich. Und der Ex-Präsident der Grünen, Alexander Van der Bellen (73), musste alle Register ziehen, um den dauerlächelnden Rechtspopulisten Norbert Hofer (45) zu bezwingen, sodass er zuletzt eben in besagtem Trachtenjäckchen über die Dorfplätze spazierte. Manch ein Grüner rieb sich die Augen, als der etwas steife pensionierte Professor plötzlich seine tiefe Heimatverbundenheit hervorkehrte und in schwer verständlichem Tiroler Dialekt fabulierte. Ein Trumpf, der bis dahin den schmissigen Burschen weit rechts der Mitte vorbehalten war.
Schweizer Grüne trachten nach der Landbevölkerung
Doch es half. Am Donnerstag besucht Van der Bellen in seiner neuen Funktion die Schweiz. Gross ist die Vorfreude der Schweizer Grünen. Denn Van der Bellen zeigt, dass auch in Zeiten, in denen die Grünen zunehmend wieder ein Mauerblümchendasein fristen, grosse Erfolge noch möglich sind. «Seine Wahl hat gezeigt, dass auch die geschliffensten Populisten nicht durchmarschieren können, wenn die Gegenseite glaubwürdig und unabhängig ist und die zentralen Werte unserer Demokratie verteidigt», sagt Parteipräsidentin Regula Rytz (54, BE).
Gegen den globalen populistischen Trend
Nach Brexit und Trump markierte Van der Bellen tatsächlich das liberale Gegenstück zum globalen populistischen Trend. «Van der Bellen wurde zwar dank der Städte gewählt», sagt Balthasar Glättli (45, ZH) Fraktionspräsident der Schweizer Grünen, «doch sein Wahlkampf zielte auch auf den ländlichen Raum.» Hier sehe er auch für die Schweizer Grünen Potenzial. Die Zersiedelungs-Initiative der Jungpartei etwa, die der Verschandelung der Landschaft einen Riegel schieben will. Es kann eigentlich nur eine Frage der Zeit sein, bis die Schweizer Grünen die Trachten für sich entdecken.