In der Affäre um den in Deutschland verhafteten Spion Daniel M.* gibt es weiterhin mehr Fragen als Antworten. So ist immer noch unklar, ob der 54-Jährige als Doppelagent tätig war.
Auch die Frage, ob und in welchem Anstellungsverhältnis er für den Schweizer Nachrichtendienst (NDB) gearbeitet hat, ist noch nicht beantwortet. Einen Hinweis gibt es allerdings: Laut Anwalt Valentin Landmann, der M. in der Schweiz vertritt, seien die deutschen Strafverfolger detailliert über M.s Kontakte zum NDB orientiert.
Durfte der Geheimdienst M. einsetzen?
Schweizer Sicherheitspolitiker sind erstaunt ob der Agententätigkeit. «Offensichtlich kann der NDB einen solchen Auftrag nicht verneinen», sagt der grüne Nationalrat Balthasar Glättli. Er zweifelt an der Gesetzmässigkeit eines Einsatzes gegen Steuerfahnder. «Der Schutz der Banken gehört nicht zu den Aufgaben des NDB.»
Auch der Nationalrat Beat Flach (GLP) ist irritiert: «Ich verstehe Auftrag und Prioritätensitzung des NDB nicht.» Man habe ja ein Steuerabkommen mit Deutschland und brauche keine Vergangenheitsbewältigung.
Landmann prüft Anzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung
M.s Verhaftung in Frankfurt am Main soll auf Aussagen zurückgehen, die M. 2015 gegenüber der Schweizer Bundesanwaltschaft im Rahmen eines Verfahrens gemacht hat. Dies bestätigte der deutsche Anwalt des Spions dem «Tages-Anzeiger».
Es müssen also Informationen von Bern aus nach Deutschland geflossen sein. M.s Schweizer Anwalt Landmann prüft denn auch eine Anzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung: «Wenn Protokolle von Vernehmungen der Bundesanwaltschaft in Deutschland landen, so muss das abgeklärt werden.»
Deutschland zweifelt an der Schweizer Weissgeldstrategie
Für Deutschland zeigt die Spionage-Affäre indessen, dass das Geschäft mit schwarzen Geldern weiter zum nationalen Interesse der Schweiz gehört. «Während Banken und Politiker von lückenloser Weissgeldstrategie sprechen, war der Spion offenbar beauftragt herauszufinden, wie Daten deutscher Kunden aus der Schweiz zu den deutschen Steuerfahndern gelangten», schreibt die «Süddeutsche Zeitung».
«Die Schweiz will wissen, wie gut die Nachbarländer informiert sind, wo es Lücken gibt, welche Leichen noch aus dem Keller gezerrt werden könnten», so das Blatt. Für deutsche Kunden bleibe daher nur ein Schluss: «Konto offenlegen. Die nächste Steuer-CD kommt bestimmt.» (sf, wid)
* Name der Redaktion bekannt