Schweizer Armee unter Beobachtung
Niemand inspiziert so oft wie die Russen

Spionagevorwürfe belasten das Verhältnis zwischen der Schweiz und Russland. Die Schweizer Armee hält das aber nicht davon ab, russischen Offizieren Einblicke in die Landesverteidigung zu gewähren. Mehr noch: Niemand inspiziert so oft wie die Russen.
Publiziert: 23.09.2018 um 20:24 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2018 um 10:48 Uhr
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Mit Sturmgewehren bewaffnete Panzergrenadiere springen auf dem Waffenplatz Bure aus einem Schützenpanzer: Für solche Manöver interessieren sich regelmässig auch Offiziere von anderen Staaten.
Foto: Keystone
Thomas Schlittler

Russland wird mal wieder ­Spionage vorgeworfen. Und der Kreml reagiert mal wieder mit Abstreiten, Leugnen, Zweifel säen.

Neu ist, dass die Vorwürfe diesmal aus der Schweiz kamen. Bereits vor Monaten berichtete SonntagsBlick über russische Cyberattacken auf eidgenössische Institutionen. Nun meldete die «SonntagsZeitung», jeder vierte russische ­Diplomat in der Schweiz sei ein ­Spion. Worauf Bern mehreren Moskauer Diplomaten die Akkreditierung verweigerte.

Die Retourkutsche liess nicht lange auf sich warten: Schweizer Diplomaten erhielten ebenfalls keine Zulassung. Zudem wurde Berns Botschafter im Kreml einbestellt, um einen Protest gegen die «feindlich formulierten Äusserungen» entgegenzunehmen. Kurz: Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland sind auf einem Tiefpunkt.

Neun Besuche aus Russland in sechs Jahren

Die Schweizer Armee hält all das nicht davon ab, den Russen Einblicke in die Landesverteidigung zu geben. Am 11. September überprüften drei russische Offiziere die Schweizer Militärpolizei, nahmen das Hauptquartier in Sitten sowie die Standorte Bern, Payerne VD, Bière VD und Siders VS ins Visier, besuchten Truppen und liessen sich über Personalbestand sowie Anzahl und Typ der Hauptwaffensysteme informieren.

Ungewöhnlich ist das nicht. Seit 2012 empfing die Armee 36 Mal fremde Militärs. Neun Besuche, jeder vierte, kamen aus Russland, so die Armee auf Anfrage. Platz zwei: Luxemburg, mit drei Besuchen.

Weshalb lässt die Schweizer Armee solche Kontrollen durch andere Länder überhaupt zu? Und wieso ist niemand so häufig zu Besuch wie die Russen?

Die Armee verweist auf das Wiener Dokument 2011 (WD11) der Organisation für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa (OSZE). Dieses Übereinkommen aller 57 OSZE-Staaten soll zur Vertrauensbildung in Europa beitragen. Jedes Mitgliedsland darf sich jederzeit davon überzeugen, dass niemand im Geheimen aufrüstet.

«Gemäss Bestimmungen des WD11 hat jeder Teilnehmerstaat das Recht, auf dem Territorium ­eines jeden anderen Teilnehmerstaats Verifikationsmassnahmen durchzuführen», sagt Armee-Sprecherin Delphine Allemand. Die Schweiz sei verpflichtet, pro Jahr bis zu drei Inspektionen und eine Überprüfung zuzulassen.

Auch andere europäische Länder im Visier

Russland nutzt dies aktiver als jedes andere OSZE-Land – nicht nur in der Schweiz: «Eine grosse Anzahl von OSZE-Teilnehmerstaaten sind Ziel von jährlichen Verifika­tionsaktivitäten durch die Russische Föderation. Die Schweiz ist kein Sonderfall», so Allemand. Die deutsche Bundeswehr bestätigt das.

Angesichts der diplomatischen Spannungen sorgen die Besuche aus Russland dennoch für Unbehagen. «Es ist stossend, dass Russland in unsere Landesverteidigung reinschauen kann», findet Corina Eichenberger-Walther (FDP/AG), Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Sie verlangt, darauf hinzuarbeiten, dass die Armee vermehrt von anderen Ländern inspiziert wird und weniger oft von Russland.
Ein Verbot der russischen Besuche scheint jedoch sehr unrealistisch. Bis jetzt hat den Russen noch kein OSZE-Land die Einsicht verweigert.

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