Schweiz im Visier der Saudis
Der Scheich liest mit

Wir wollen ihre Petrodollars, sie kaufen unsere Firmen und Hotels. Und die Saudis wollen wissen, was wir über sie denken.
Publiziert: 28.10.2018 um 12:43 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2018 um 12:44 Uhr
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Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann besuchte die Saudis 2017. Im Schlepptau hatte er grosse Unternehmen wie UBS, ABB oder Novartis.
Foto: Twitter
Tobias Marti und Harry Büsser

Saudi-Arabien versucht in der Schweiz Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Das zeigen Recherchen des SonntagsBlicks. Um der Bevölkerung im Westen den Puls zu fühlen, haben die Saudis hierzulande und in weiteren Ländern ein umfassendes Monitoring aufgezogen. Alles, was in den Medien zu Saudi-Arabien gesagt oder geschrieben wird, landet über PR-Agenturen beim verantwortlichen Minister in Riad. Das Monitoring begann mit der Reform des Kronprinzen, sagt ein Insider. Früher sei den Saudis ihr Image nicht so wichtig gewesen.

Kritische Artikel kommen nicht gut an, erklärt der Insider weiter: «Schlechte Mitteilungen muss man mit viel Fingerspitzengefühl überbringen.»

Staatliche Stellen sind sich nicht einig

Nebst dem Monitoring suchen die PR-Agenturen auch hier nach Journalisten, die über Saudi-Arabien berichten sollen. Natürlich über möglichst positive Themen, wie die saudische Fussballnationalmannschaft oder erfolgreiche Künstlerinnen. Die Zeichen aus Riad sind aber widersprüchlich. Etwa konnten eingeladene Journalisten nicht anreisen, weil plötzlich Probleme mit deren Visa auftauchten. Es scheint als wären bei den staatlichen Stellen nicht alle auf dem gleichen Kurs.

Ein Grund für die Turbulenzen sind die Reformen von Kronprinz Mohammed bin Salman. Saudi-Arabien versucht seine Abhängigkeit vom Erdöl zu überwinden und öffnet seinen Finanzmarkt für den Westen. Und die Schweiz greift zu. Sie ist mit knapp einer Milliarde Franken (2016) einer der führenden Direktinvestoren und sie lieferte 2017 Güter für 1,8 Milliarden Franken.

Vor allem ist sie der Schatzmeister saudischer Vermögen. Der französische Ökonom Gabriel Zucman hat berechnet, wie viel Offshore-Vermögen die Scheichs hierzulande horten. Er kommt auf 193 Milliarden Dollar. Ein Schatz, so funkelnd wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht.

Enormer Wachstumsmarkt

Im Nahen Osten ist Saudi-Arabien das Land mit dem grössten Konsumpotenzial. Auch Schweizer KMU wollen da nicht hintenanstehen. So kam es, dass eine von alt Bundesrätin Ruth Metzler angeführte Frauendelegation im Frühling durch ein Land tingelte, wo Frauen bis zum 24. Juni 2018 nicht Auto fahren durften. Die Reise eingefädelt hatte Switzerland Global Enterprise (SGE), die vormalige Zentrale für Handelsförderung (OSEC). Sie ist im Auftrag des Bundes tätig und bekommt Steuergelder.

Die grossen Namen reisten schon ein Jahr früher nach Riad, im Schlepptau von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann: UBS, Julius Bär, Novartis, ABB waren an Bord; schweizerische Finanz-, Pharma- und Industriepotenz für die Potentaten am Golf.

Nur war Saudi-Arabien noch nie ein Königreich der Menschenrechte, und es steht in Verdacht, islamistische Terroristen zu unterstützen. Zu allem Übel bomben die Saudis den Jemen gerade in Schutt und Asche. All dies hielt Schweizer Delegationen nicht von einem Besuch ab.

Nun zerteilten die Saudis einen Mann in seine Einzelteile. Auf einmal fühlen sich die Geschäftspartner wie Komplizen, nicht mehr wie Kompagnons. Credit Suisse und ABB gehen medienwirksam auf Distanz, sogar die Handelsförderer von SGE werden zurückhaltend: Derzeit seien keine Delegationsreisen nach Saudi-Arabien geplant.

Saudis geben 420 Franken aus – pro Tag

Um Saudis zu treffen, müssen Schweizer sowieso nicht mehr reisen, sie kommen scharenweise zu uns. Hauptsächlich als Touristen. In den Luxushotels machen Gäste vom Golf zehn Prozent aus, nur Schweizer und US-Amerikaner nächtigen öfter in «Swiss Deluxe Hotels».

Saudis sind gern gesehen, niemand gibt mehr Geld aus: 420 Franken pro Tag. Darum wirbt Schweiz Tourismus im Königreich, zur Freude der hiesigen Hotels, Boutiquen und Spitäler. Immer öfter kommen sie als Investoren. Ein Faible scheinen sie für Treffen mit alt Bundesräten zu haben. So besuchte Prinz al-Walid bin Talal den Pensionär Hans-Rudolf Merz in Arosa GR. Der Prinz wurde bekannt, weil ihn der Kronprinz zwei Monate wegen Korruption in einem Luxushotel einsperrte.

Mittlerweile gehören den Saudis Schweizer Hotelketten wie der «Ferienverein», mit Hotels in Arosa, Crans-Montana VS, Wengen BE und Sils-Maria GR. Bei der Apotheken-Gruppe «Zur Rose» sind sie als Grossaktionäre eingestiegen, ebenso reden sie beim Chemiekonzern Clariant mit. Ihren Einfluss machen die Saudis also auf die gute alte Tour geltend, mit Petrodollars.

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