Es war ein Protokoll des Schreckens: In den Magglingen-Protokollen schilderten ehemalige Spitzenturnerinnen, wie sie im Leistungszentrum des Schweizerischen Turnverbandes in Magglingen gedemütigt und eingeschüchtert wurden.
Nun will der Bundesrat reagieren. Sportministerin Viola Amherd (60) präsentierte am Mittwochnachmittag vor den Medien folgende Massnahmen: Sportlerinnen und Sportler sollen besser vor körperlicher und seelischer Gewalt geschützt werden. Und: Sportorganisationen erhalten neu nur noch Geld vom Bund, wenn sie sich für sicheren und fairen Sport engagieren.
Der Bundesrat passte dafür die Sportförderungsverordnung an. Die neuen Regeln gelten ab dem 1. März 2023. Amherd sprach von einem «enormen Schritt». Bei der Verletzung von ethischen Normen seien nun Sanktionen möglich, nicht nur finanzieller Art.
Staat hat Aufsichtsfunktion
Geschehnisse wie in den Magglinger Protokollen zum Kunstturnen berichtet und 2020 aus der Rhythmischen Gymnastik bekannt gewordene Vorfälle zeigen laut Bundesrat, dass der Staat gegenüber Minderjährigen eine Aufsichtsfunktion ausüben müsse. Gerade bei mit öffentlichen Geldern gefördertem Sport sei das so.
Grundlage für die Verordnungsanpassung ist das vom Schweizer Sportparlament Ende 2021 verabschiedete Ethik-Statut. Wollen Sportverbände und Vereine Finanzhilfen des Bundes, müssen sie diese Bestimmungen erfüllen, wie der Bundesrat schrieb. Damit verpflichten sich die Verbände, Athletinnen und Athleten zu schützen.
Kernelement des Schutzes vor Gewalt und Diskriminierung ist die unabhängige nationale Meldestelle. Sie ist schon seit Anfang 2022 in Betrieb und wird laut Amherd «rege genutzt». Die Sportministerin berichtete von über 300 Meldungen im ersten Betriebsjahr. Vor allem für junge Menschen sei es einfach, sich an die Meldestelle zu wenden.
Geschlechterquote von 40 Prozent
Betrieben wird die Meldestelle von der Stiftung Swiss Sport Integrity. Sie untersucht Meldungen zu allfälligem Fehlverhalten oder von Missständen und beantragt bei Verstössen gegen das Ethikreglement Sanktionen bei der Disziplinarstelle von Swiss Olympic - auch sie ist übrigens nun im Recht verankert.
Bei strafbarem Verhalten informiert die Meldestelle an die Strafverfolgungsbehörden. Die Meldestelle wird vom Bund zurzeit mit einem Beitrag von 1,02 Millionen Franken pro Jahr unterstützt.
Zudem macht der Bund neue Vorgaben für die Verwaltungsführung der Sportorganisationen, darunter eine Geschlechterquote von 40 Prozent. Vom einem Dorf-Turnverein verlange niemand eine Quote für Männer und Frauen im Vorstand, sagte Amherd dazu.
Eine Geschlechterquote gelte jedoch für den Vorstand und Verwaltungsrat des Dachverbandes Swiss Olympic sowie von nationalen Verbänden. Dieselbe Geschlechterquote gilt in bundesnahen Betrieben. Für regionale Verbände und Vereine soll Swiss Olympic eine Branchenlösung erarbeiten.
Keine Amtszeitbeschränkung bei Sportverbänden
Swiss-Olympic-Präsident Jürg Stahl (55) äusserte sich an der Medienkonferenz zufrieden: Gemischte Gremien seien mehr als wertvoll und Swiss Olympic und die Verbände auf beide Geschlechter angewiesen.
Auf eine Vorschrift zur Amtszeitbeschränkung bei Sportverbänden verzichtet der Bundesrat. Er empfiehlt eine Limite bei zwölf Jahren, überlässt es aber Swiss Olympic, die Frage definitiv zu regeln.
Für die Umsetzung der Good-Governance-Vorgaben erhalten die Verbände eine Übergangsfrist eingeräumt. Nationale Verbände müssen die Vorschriften ab 1. Januar 2025 umsetzen. Vereine, die lediglich für «Jugend und Sport»-Kurse und -Lager Subventionen beziehen, haben bis zum 1. Januar 2026 Zeit. (SDA/oco)