Die neuen Krankenkassenprämien flattern bis Ende Oktober ins Haus. Zeit also, die Kasse zu wechseln, wenn man Prämien sparen will.
Aber Vorsicht: Ein Wechsel zu einer anderen Kasse ist nur mit einer rechtlich sauberen Kündigung möglich. Erstens müssen sämtliche Ausstände wie Prämien, Kostenbeteiligungen, Verzugszinsen oder Betreibungskosten bei der alten Kasse bezahlt sein. Zweitens muss die Kündigungsfrist eingehalten werden. Nur dann darf die neue Kasse einen Versicherten aufnehmen.
Damit soll verhindert werden, dass man in der Grundversicherung doppelt oder gar dreifach versichert ist – und damit die Prämienrechnung noch viel höher ausfällt.
Tausende sind doppelt grundversichert
So viel zur Theorie. Denn die Praxis sieht anders aus. So befanden sich 2017 «einige Tausend Versicherte in einer Doppelversicherungssituation». Dies schreibt der Bundesrat in der Antwort auf eine Interpellation von SP-Nationalrätin Bea Heim (73, SO).
Wie es trotz des Verbots so weit kommen konnte, ist unklar. «Offenbar funktioniert die Kommunikation zwischen den Krankenkassen nicht immer», sagt Claudia Odermatt (40), Rechtsanwältin bei der Caritas-Schweiz-Fachstelle Schuldenberatung. Sie ist immer wieder mit Fällen von doppelt Grundversicherten konfrontiert.
Ein Teufelskreis
«Doppelversicherungen sind keine Randerscheinung», sagt Odermatt. «Wer bei uns landet, steckt meistens schon in einem Teufelskreis. Werden die Prämien nicht bezahlt, kommen schon bald Betreibungen – und die Schulden häufen sich weiter an.»
Manche Betroffene würden erst nach Jahren Hilfe suchen. «Dann beträgt der Prämienschuldenberg nicht selten schon Tausende von Franken», so Odermatt. «Zudem erschweren Einträge im Betreibungsregister die Wohnungs- und Stellensuche.»
Ist das Problem erkannt, folge zum Teil «ein langwieriges Prozedere mit den Krankenkassen, bis die zu Unrecht eingeforderten Prämien, Gebühren und Betreibungskosten zurückbezahlt sind».
Grünen-Graf macht Druck
Fragt sich bloss, warum die Betroffenen selbst nicht schon früher intervenieren. «Viele Schuldner sind schlicht überfordert oder realisieren ihre Situation gar nicht. Bei anderen wiederum sind Vermittler im Spiel, die ihre Arbeit nicht sauber gemacht haben», so Odermatt.
Caritas fordert deshalb, dass die Krankenkassen den Informationsaustausch verbessern. Aber auch, dass die gesetzlichen Grundlagen verschärft werden, um Doppelversicherungen zu verhindern. «Denkbar wäre zum Beispiel ein zentrales Versichertenregister oder Bussen für Krankenkassen, die den Informationsaustausch nicht gewährleisten», so Odermatt.
Politisch Druck macht nun Grünen-Nationalrätin Maya Graf (57, BL). Sie hat in der Herbstsession eine Motion eingereicht, in der sie vom Bundesrat verlangt, das Gesetz so anzupassen, «dass niemand zwei oder mehr obligatorische Krankenpflegeversicherungen für den gleichen oder überschneidenden Zeitraum abschliessen kann».
Krankenkassen wollen besseren Datenaustausch
Auch die Krankenkassen sind nicht glücklich mit der Situation: «Für die Krankenversicherer verursachen Doppelversicherungen einen grossen bürokratischen Aufwand», sagt Manuel Ackermann (45) von Santésuisse, dem Verband Schweizer Krankenversicherer. Weil stets das ältere Versicherungsverhältnis Vorrang habe, müsse das neue rückabgewickelt werden, was sehr aufwendig sei. «Die Versicherer sind sehr daran interessiert, solche Situationen zu vermeiden, weil damit zugunsten der Prämienzahler Geld gespart werden kann.»
Dass es trotzdem immer wieder Fälle von Doppelversicherungen gebe, sei häufig auf Formfehler zurückzuführen. Es komme aber auch vor, dass Versicherte ohne korrekte Abmeldung für längere Zeit ins Ausland reisen würden. «Diese müssen per Gesetz weiterversichert werden, kommen zurück – eventuell in einen anderen Kanton – und melden sich bei einem anderen Versicherer an», so Ackermann.
Auch Santésuisse ortet daher Handlungsbedarf. «Wir haben wiederholt mehr Transparenz und einen besseren Datenaustausch mit den Kantonen und Gemeinden angeregt, damit auch das Problem der Doppelversicherungen möglichst effizient angegangen werden kann», sagt Ackermann.
Dabei denke der Verband insbesondere an einen besseren elektronischen Datenausgleich zwischen Kantonen und Krankenversicherern. Zwei entsprechende Vorstösse hat der Nationalrat bereits gutgeheissen.