Schreiben nimmt Bezug auf tote Kinder in Gaza
Hundert Parlamentarier erhalten Brief mit schwarzem Pulver

Rund hundert gewählte Vertreter in Bern erhielten diese Woche Post mit einem verdächtigen schwarzen Pulver. Der Brief erwähnt die toten Kinder in Gaza und enthält schockierende Bilder. Die Bundespolizei versichert, dass die Substanz nicht gefährlich sei.
Publiziert: 14:09 Uhr
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Aktualisiert: 15:47 Uhr
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In dem Brief wird der Geruch erwähnt, der «überall in Gaza» zu finden sei, und die Frage gestellt: «Sind Sie am Völkermord in Gaza beteiligt?»
Foto: DR
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Léo Michoud

An den Brief angeheftet, ist ein beunruhigendes Päckchen mit schwarzem Pulver, dessen Geruch nicht gleichgültig lässt. Diese Woche sollen rund hundert National- und Ständeräte denselben bedrohlichen Brief an ihre Adresse erhalten haben, wie Blick erfuhr. In dem Schreiben wird auf die toten Kinder in Gaza Bezug genommen und die «Verantwortung» der Schweizer Parlamentarier angesprochen.

Nach Blick-Recherchen hat die Bundespolizei allen Parlamentariern ein E-Mail geschickt, in der von dem «verdächtigen Pulver» in einem A5-Umschlag die Rede ist: «Die toxikologischen Analysen haben ergeben, dass der Inhalt nicht gesundheitsgefährdend ist. Die Substanz konnte jedoch nicht mit Sicherheit identifiziert werden», heisst es im E-Mail, das am Donnerstag verschickt wurde. Den Politikern, die diese Sendung erhalten haben, wird geraten, sie in den Papierkorb zu werfen oder bei den Parlamentsdiensten abzugeben.

«Ich habe sofort an Anthrax gedacht»

Der Walliser FDP-Politiker Philippe Nantermod (40) fand die Post «nicht sehr sympathisch». «Zu diesem Thema erhält man viele Beleidigungen. Als ich diese besonders heftige erhielt, habe ich nicht am Pulver gerochen, sondern es schnell weggeworfen und mir gleich danach die Hände gewaschen. Ich dachte sofort ans tödliche Anthrax, bevor ich mich daran erinnerte, dass jenes eher weiss ist.»

Der Brief bezichtigt die Empfänger implizit als «Komplizen des Völkermords». Der Freiburger SVP-Nationalrat Nicolas Kolly (38) sagt: «Ich habe einen solchen Brief in meiner Kanzlei erhalten. Dass man anonyme Briefe erhält, ist nichts Ungewöhnliches. Dieser hier ist nicht harmlos. Die Fotos sind gewalttätig, der Text auch. Und die Tatsache, dass schwarzes Pulver angeheftet wird, ist bedrohlich.»

«Dieser Geruch ist überall in Gaza zu finden»

Tatsächlich ist der Text verstörend: «Dieser Geruch ist überall in Gaza. Sind Sie mutig genug, um das Leiden dieses Engels zu hören?», heisst es darin. Direkt darunter führt ein QR-Code zu einem Video eines Kindes auf der Instagram-Seite @eye.on.palestine, das als palästinensisch dargestellt wird und offensichtlich am ganzen Körper verbrannt ist. Mehrere Seiten mit Fotos von toten oder verletzten Kindern sind im Brief und im Umschlag ebenfalls enthalten.

Ein Parlamentarier beschreibt die Gaza-Debatte als «extrem sensibel» und berichtet von einem anderen Fall: «Innerhalb eines kurzen Zeitraums haben wir hundert Mal die gleiche E-Mail erhalten, die ebenfalls bedrohlich war.» Nantermod geht davon aus, dass nicht alle Parlamentarier gleichermassen betroffen sind: «Ich nehme an, dass jene, die dafür gestimmt haben, die Gelder der UNWRA zu kürzen, oder alle rechtsgerichteten Abgeordneten diesen Brief erhalten haben.»

Es zeigt sich aber, dass der Brief nicht nur an bürgerliche Politiker ging. Auch die Grüne Delphine Klopfenstein Broggini (48) erhielt ihn – und warf ihn ebenfalls schnell weg, obwohl sie als eine der wenigen gegen das Hamas-Verbot und für die finanzielle Unterstützung der UNWRA, der Uno-Agentur für palästinensische Flüchtlinge, gestimmt hatte. «Daraus kann man schliessen, dass es sich wohl nicht um eine gezielte Sendung handelt», kommentiert sie.

Berner Kantonalpolizei ermittelt

Die Bundespolizei Fedpol bestätigte auf Anfrage am frühen Freitagnachmittag, dass «in den letzten Tagen Briefe mit Fotos von Kindern, die als aus dem Gaza-Konflikt stammend dargestellt wurden, an Empfänger in Bundesgebäuden und an Mitglieder des Parlaments versandt wurden». Nur ein Teil der Briefe enthielt das berüchtigte schwarze Pulver, erklärte ein Sprecher.

Fedpol ist für den Schutz von Personen in Bundesgebäuden zuständig, führt aber nicht die laufenden Abklärungen zu diesen Umschlägen durch. «Da die Untersuchung durch die Berner Kantonspolizei läuft, können derzeit keine weiteren Informationen bekannt gegeben», erklärte der Sprecher. Die Bundespolizei hat keine Kenntnis von der genauen Anzahl der Briefe, die Parlamentarier erhalten haben.

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