Der Fall machte 2006 landesweit Schlagzeilen: William W.* vergewaltigte im August 2006 die damals achtjährige Selina S. in einer Baustellen-Baracke in Starrkirch-Wil SO. 2010 wurde er wegen Vergewaltigung und sexueller Handlungen mit einem Kind zu fünf Jahren stationärer Therapie in einer geschlossenen Anstalt verurteilt.
2016 kam er frei – und erhielt später gar eine Entschädigung. Weil seine Haft zu lange dauerte, sprach ihm die Beschwerdekammer des Solothurner Obergerichts 52'100 Franken zu (BLICK berichtete). Für sein Opfer ein Schock. «Jeden Tag denke ich daran, dass er wieder zuschlagen könnte», sagte Selina damals.
Sein Opfer bekam nur 15'000 Franken
Sie selbst hat weit weniger erhalten. Als Genugtuung für das erlittene Leid und den seelischen Schmerz sprach das Solothurner Innendepartement der jungen Frau eine Genugtuung von 15'000 Franken zu.
Das Amtsgericht hatte ursprünglich 20'000 Franken festgesetzt. Die Opferhilfestelle berechnete die Höhe des Schmerzensgeldes jedoch anders als die Richter im Rahmen des Strafprozesses. Sie kürzte den Betrag um 5000 Franken – weil der Täter nicht zahlen konnte und der Staat einspringen musste.
Bis zu 15'000 Franken bei Vergewaltigung
So wie Selina S. geht es vielen Opfern, seitdem der Bund vor zehn Jahren das Opferhilfegesetz reformiert hat. Das Parlament begrenzte die Genugtuung für Opfer auf maximal 70'000 Franken. Den Maximalbetrag erhielt bis 2017 jedoch niemand. Vergewaltigungsopfer erhalten in der Regel zwischen 7000 und 15'000 Franken.
Bis heute können sich Opfer aber nicht gegen zu tiefe Genugtuungen wehren. Vor Bundesgericht ziehen kann nur jemand, bei dessen Fall der Streitwert 30'000 Franken übersteigt. Für Opfer von Gewalttaten und Sexualdelikten eine viel zu hohe Hürde.
Schneller ans Bundesgericht
Doch jetzt ist Besserung in Sicht. SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen (40) hatte im Nationalrat beantragt, die Summe von 30'000 auf 3000 Franken zu senken – und kam damit durch, wie die Bernerin zu ihrem eigenen Erstaunen feststellte. «Ich bin glücklich, dass es durchgekommen ist. Der Entscheid stärkt die Rechte der Opfer und wirkt der Tendenz entgegen, dass Genugtuungen zu tief angesetzt werden.»
Die Drohkeule Bundesgericht könnte sogar dafür sorgen, dass der Staat künftig grosszügiger zu Opfern ist. Und das wäre nötig: In den letzten 20 Jahren sind die durchschnittlich ausgezahlten Entschädigungen und Genugtuungen nämlich um 50 Prozent gesunken. Betrug der Median der an ein Opfer ausgezahlten Summe im Jahr 2000 noch 7000 Franken, waren es 2017 noch genau 3500 Franken.
Damit sich das bessert, muss allerdings noch der Ständerat Ja sagen.