Siebzehn Jahre nach der Visite von Pascal Couchepin (75) reiste diese Woche wieder ein Bundesrat nach Westafrika. Dieses Mal ist es Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66, FDP), der bis heute Sonntag während fünf Tagen Nigeria und die Côte d’Ivoire besuchte.
Die Wahrnehmung der beiden Staaten in der Schweiz dominieren Negativschlagzeilen: Wenn sie überhaupt in den Nachrichten kommen, dann mit hässlichen Meldungen über die Entführung von Kindern, den Terror von Boko Haram, Bürgerkrieg oder grassierende Korruption. US-Präsident Donald Trump (71) beschimpfte solche Nationen als «Shithole Countries» (Drecksloch-Länder).
Bill Gates spendet – und lästert
Auch Bill Gates (62) trat dieser Tage in Nigeria wie ein Kolonialherr auf. Der Microsoft-Gründer spendete dort über eine Milliarde Dollar für das Gesundheitssystem. Bei einem Treffen mit Präsident Muhammadu Buhari (75) konnte er sich aber auch die Bemerkung nicht verkneifen, Nigeria sei «das schlechteste Land, um einen Menschen auf die Welt zu bringen».
Solche Sprüche gehen vielen hier auf die Nerven. «Die Erzählung über unser Land ist viel zu lange von solchen News geprägt worden», sagt etwa David Joseph Akhgbe (39), ein Mitarbeiter des nigerianischen Aussenministeriums, der den Tross von Schneider-Ammanns Wirtschaftsdelegation begleitet.
Dabei habe sein Land doch erheblich mehr zu bieten. Just in diesem Moment fällt der Strom im Konferenzsaal des Hotels der Hauptstadt Abuja aus.
Ölpreis-Baisse war ein Fiasko für Nigeria
Doch Akhgbe hat recht. Ökonomisch geht es tatsächlich aufwärts. Vor knapp vier Jahren rutschte zwar der Ölpreis in den Keller – ein Fiasko für Nigeria. 90 Prozent der Devisen bezieht die seit 1960 von Grossbritannien unabhängige Nation aus dem Verkauf des schwarzen Goldes. Die Folge war eine brutale Rezession.
Jetzt aber hat sich der Ölpreis erholt, die Aussichten sind damit automatisch besser.
Als wichtigster Industriezweig des Landes hat sich der Textil- und Bekleidungssektor etabliert. In einem Bericht verspricht die Schweizer Botschaft in Nigeria denn auch lukrative Geschäftsmöglichkeiten für eidgenössische Unternehmen. Doch für die spielt Westafrika nur eine marginale Rolle. Deshalb will der Wirtschaftsminister mit seiner Tour zeigen, dass die Eidgenossenschaft auch diesen Winkel der Welt nicht einfach «der Konkurrenz» überlassen will.
Zum Wachstum verdammt
Das Problem: Die Region ist zum Wachstum verdammt. Dafür sorgt schon die demografische Entwicklung. 2050 wird Nigeria das bevölkerungsreichste Land hinter Indien und China sein – noch vor den USA. 5,6 Kinder bekommt eine Nigerianerin im Schnitt, etwa die Hälfte der Menschen sind unter 18 Jahren.
Mit Johann Schneider-Ammann unterwegs ist auch Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer (58). Von den 30’000 international tätigen Schweizer Firmen sind aktuell nur einige Hundert in Westafrika tätig. Dazu gehört das Verlagshaus Ringier, das auch den SonntagsBlick herausgibt und in Westafrika mit rund 450 Mitarbeitern das erfolgreiche Medienportal «Pulse» betreibt.
In einer Präsentation vor afrikanischen Geschäftsleuten spricht Karrer Klartext: «Das Potenzial ist gross, aber es muss sich viel ändern, damit unsere Mitglieder noch mehr investieren.»
Dazu gehöre – wie die vielen Stromausfälle oder der Zustand der Strassen zeigten – eine verbesserte Infrastruktur. Aber auch die Bürokratie, die hohen Steuern und die Devisenknappheit stellten für ausländische Firmen eine grosse Hürde dar. Ziel müsse ein Doppelbesteuerungs- und Freihandelsabkommen sein. Der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller (33), ebenfalls Mitglied der offiziellen Delegation, sieht ähnliche Handicaps.
Finanzministerin lässt Termin platzen
Und ja: Auch auf der Goodwill-Tour des Schweizer Bundesrats gab es Schwierigkeiten. Am Donnerstag sollte Schneider-Ammann die nigerianische Finanzministerin treffen. Die aber sagte kurzfristig ab, sie habe ein Meeting mit dem Vizepräsidenten.
Für Schweizer Verhältnisse wäre so etwas unvorstellbar: einen vereinbarten Termin mit einem ausländischen Gast platzen zu lassen.
Dass es auch anders geht, erwies sich an der Côte d’Ivoire: Präsident Alassane Ouattara (76) war ausserplanmässig bereit, Schneider-Ammann zu treffen.
Die beiden kennen einander seit längerer Zeit. Geholfen hat dabei sicher auch die enge Bindung des Staatschefs zur Schweiz. Seine Tochter ist mit einem Schweizer verheiratet und lebt in Genf. Seine Enkelkinder sind kleine Eidgenossen.