Bern, Donnerstag, 8:45 Uhr. Während Verteidigungsministerin Viola Amherd und Armeechef Philippe Rebord drüben im Bundeshaus den geordneten Rückzug der heimischen Armeeführung verkünden, treffen sich zur gleichen Stunde, keinen Kilometer von ihnen entfernt, die Kombattanten der Zukunft.
Am Cyberkongress in Bern versammeln sich Polizeien, Sicherheitsdienste und private Player die: Palantir ist da – die Sicherheits- und Technologiefirma revolutioniert gerade die US-Army mit einer 800-Millionen-Software. Rüstungs- und Tech-Unternehmen wie Airbus und Nokia sind anwesend –allesamt geostrategische Player auf dem Schlachtfeld der Zukunft, dem virtuellen Raum. Vom Schweizer Militär ist niemand auszumachen.
Mehrbessere Hilfstruppe
Wie bedeutend ist die Armee für die Landesverteidigung überhaupt noch? Im sicherheitspoltischen Bericht des Bundesrates aus dem Jahr 2016 figuriert sie an vielen Stellen nur noch unter ferner liefen. Das tönt dann etwa so: «Bei einem grossen Cyber-Angriff mit gravierenden Folgen könnte die Armee mit ihren geschützten und krisenresistenten Führungsunterstützungsmitteln die zivilen Behörden zur Sicherstellung der Führungsfähigkeit unterstützen.»
Auf Deutsch: Wenn sowieso alles den Bach runtergeht und sämtliche zivilen Behörden das Handtuch geworfen haben, darf die Armee mit ihren Funkgeräten aushelfen. Das tönt arg nach mehrbesserer Hilfstruppe.
«Der Nachrichtendienst spielt ganz klar eine viel bedeutendere Rolle als früher», sagt der Sicherheits- und Geheimdienstexperte Bruno Lezzi. Er sieht nicht gerade einen Bedeutungsverlust, den die Armee durchgemacht habe, aber sicher einen Bedeutungswandel – einen Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Zwar ist die Armee noch immer ein strategisches Instrument im Schweizer Sicherheitsverbund. Öffentlich weiterhin sichtbar sind aber vor allem ihre unterstützenden Leistungen zur Entlastung der Polizei in besonderen Lagen. Ein Schelm, wer da an WK-Soldaten am Adelbodner Skirennen denkt.
Wie diensttauglich wäre das Militär für einen digitalen Schlagabtausch?
«Es dürfte darum schwierig werden, den künftigen Bedarf an schweren Mitteln wie Panzern und Artillerie noch zu begründen», sagt Experte Lezzi.
Wer oberster General wird, ist also eigentlich sekundär – die Musik spielt ohnehin beim Nachrichtendienst, der ebenfalls im Verteidigungsdepartement angesiedelt ist (und sich diskret mehr und mehr Einfluss sichert). Und doch fragt man sich, wie diensttauglich unser Militär für einen digitalen Schlagabtausch wäre? «Im Cyberbereich hat die Armee trotz den zurzeit unternommenen Anstrengungen klar einen Nachholbedarf», sagt Lezzi. Nachdem jüngst peinlicherweise die bundeseigene Ruag Opfer eines Hackerangriffs wurde, forcierte der Bundesrat den Aktionsplan «Cyber-Defence». Eine Handvoll Rekruten sind dafür kürzlich angetreten.
Die digitalen Gehversuche der Armee lösen an der Cyber-Konferenz Heiterkeit aus, mit Namen hinstehen aber will dann doch keiner. Der Grundtenor: Die Cyber-Defence-Strategie des VBS kann so nicht umgesetzt werden. Die Armee darf nicht pro-aktiv Gefahrenquellen angreifen, sie würde Gesetze verletzen. Sie darf lediglich verteidigen. Und weil die Armee klar auf ein Territorium begrenzt ist, müsste am Ende doch der Nachrichtendienst übernehmen.