Fällt das neue Waffengesetz am 19. Mai durch, droht der Schengen-Austritt. Davor warnt der neue Polizeidirektoren-Präsident Urs Hofmann (62) im BLICK-Interview.
Dabei ortet der Aargauer SP-Regierungsrat über den Sicherheitsbereich hinaus Risiken – und zwar im Tourismus: «Chinesische und indische Touristen profitieren bei den Ferien in Europa davon, dass sie dank des Schengen-Visums den ganzen Kontinent bereisen können.» Diese könnten die Schweiz künftig links liegenlassen, befürchtet er. «Dem Tourismus drohten erhebliche Einbussen.»
340'000 Schweizer Schengen-Visa für Touristen
Tatsächlich haben die Schengen-Visa für die Schweiz eine grosse Bedeutung. Im letzten Jahr stellte die Schweiz rund 520'000 Stück davon aus, wobei der blosse Tourismus mit gut 340'000 Stück den Löwenanteil ausmacht – an der Spitze rangierten dabei Inder, Chinesen und Thailänder.
Statistisch nicht erfasst sind jene visumspflichtigen Touristen, die mit einem von anderen Staaten ausgestellten Schengen-Visum in die Schweiz gereist sind. Klar ist: Den asiatischen Touristen kommt eine zunehmend gewichtigere Bedeutung zu. So macht Asien rund einen Viertel der ausländischen Logiernächte aus – mit einem fast fünfprozentigen Zuwachs im letzten Jahr.
Ohne Schengen-Visum wirds komplizierter
Kein Wunder also, machen auch die Tourismusverbände Front für ein Ja zum neuen Waffengesetz. «Die Nachfrage aus dem europäischen Raum ist tendenziell rückläufig, das haben wir bisher durch neue Gäste aus den Fernmärkten wieder wettgemacht», sagt Hotelleriesuisse-Präsident Andreas Züllig (60).
Mit einem Schengen-Austritt dürfte der zeitliche und finanzielle Aufwand für die visumspflichtigen Schweiz-Besucher steigen, da ohne Anpassungen ein separates Visum nötig wird. «Wer eine Europa-Rundreise bucht, macht in der Regel auch einen Abstecher in die Schweiz – das könnte sich künftig aufgrund des zusätzlichen Aufwands ändern», befürchtet Züllig, der das Hotel Schweizerhof auf der Lenzerheide GR führt.
Zu diesem Schluss kommt auch eine Ecoplan-Studie im Auftrag des Bundes. Bei den sogenannten Mehr-Staaten-Reisenden auf Europatour rechnet sie mit einem Rückgang von jährlich 370'000 bis zu einer Millionen Touristen, welche die Schweiz beiseite lassen würden. Die finanziellen Ausfälle beziffert die Studie auf 200 bis 530 Millionen Franken.
SVP-Brand: «Keine touristische Katastrophe»
SVP-Nationalrat Heinz Brand (63) bestreitet die Zahlen. «Die Tourismusbranche malt die schwärzestmöglichen Szenarien an die Wand», sagt der Bündner. «Selbst wenn wir – was jedoch kaum anzunehmen ist – aus Schengen herauskatapultiert würden, wäre das noch längst keine touristische Katastrophe!»
Die meisten Touristen würden aus visumbefreiten Staaten einreisen, betont Brand. Doch selbst für jene aus visumspflichtigen Staaten sieht er eine einfache Lösung. «Die Schweiz kann ihre Einreisebestimmungen für visumspflichtige Drittstaatenangehörige jederzeit selbst festlegen und den veränderten Verhältnissen anpassen», sagt der SVP-Mann. Er nennt auch gleich verschiedene Optionen: «Wir können etwa gültige Schengen-Visa anderer Staaten anerkennen oder Touristen aus bestimmten Staaten von der Visumspflicht befreien – ganz oder auch nur für Kurzaufenthalte.»
Sollten doch einige Besucher ausbleiben, wird dies gerade in der SVP nicht als allzu schlimm erachtet. So beklagte sich erst kürzlich SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (40, ZG) über den «Übertourismus» in der Schweiz und «massive Touristenströme» (BLICK berichtete). Brand lässt sich in dieser Frage aber nicht auf die Äste hinaus. «Zu diesem Thema sage ich lieber nichts», winkt er ab. «Um den Schweizer Tourismus mache ich mir aber alleine wegen der Einreisebestimmungen keine Sorgen.»
Hotelier Züllig: «Nicht Übertourismus-, sondern Untertourismus-Problem»
Bei Hotelier Züllig sorgt Brands Sorglosigkeit für Kopfschütteln. «So einfach, wie es sich Herr Brand vorstellt, wird es nicht. Ohne Schengen wird die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Tourismus geschwächt», ist er überzeugt. Einfach auf Besucher zu verzichten, könne man sich nicht leisten.
«In vielen Regionen haben wir nicht ein Übertourismus-, sondern ein Untertourismus-Problem – da reicht ein Blick auf die Bettenauslastung», so Züllig. «Wir sind auf die wachsenden und zahlungskräftigen Märkte in Asien angewiesen.»