Die grosse Kammer hiess die beiden zugehörigen Gesetzesvorlagen am Mittwoch in den Schlussabstimmungen mit 136 zu 56 respektive 108 zu 75 Stimmen bei 10 Enthaltungen gut. Das Geschäft ist damit bereit für die Schlussabstimmung. Es untersteht dem fakultativen Referendum.
Es umfasst auch humanitäre Ausgleichsmassnahmen im Asylrecht, allerdings weniger, als die Ratslinke dies gewünscht hatte. Der Ständerat hatte diese eingebaut. Die Rechtsmittel der Asylsuchenden werden gestärkt und die Unterstützung bei Beschwerdeverfahren wird ausgeweitet.
Dem Ausbau des Engagements erwuchs vor allem von den Grünen und der SP heftiger Widerstand. Deren Sprecherinnen und Sprecher liessen an der Grenz- und Küstenwache Frontex kaum ein gutes Haar. Europa sei dabei, an den Aussengrenzen eine regelrechte Armee aufzubauen, begründete Fabien Fivaz (Grüne/NE) einen Antrag auf Nichteintreten auf die Vorlage.
Frontex kämpfe mit zahlreichen Problemen, Asylgesuche würden nicht korrekt behandelt, Flüchtlinge illegal zurückgeschickt (Push-Backs). Frontex habe «das Wegschauen professionalisiert», sekundierte Fraktionskollegin Marionna Schlatter (Grüne/ZH).
Die Grünen scheiterten mit ihrem Antrag allerdings ebenso wie die SP mit einem Antrag auf Sistierung des Geschäfts, bis Frontex verschiedene Anpassungen als Reaktion auf Untersuchungsergebnisse des EU-Parlamentes zu Grundrechtsverletzungen vorgenommen habe.
Die EU rüstet seit 2016 die Grenz- und Küstenwache Frontex mit mehr Personal und technischer Ausrüstung auf, damit die Agentur ihre Aufgaben im Grenz- und Rückkehrbereich besser wahrnehmen kann.
An diesem Ausbau muss sich auch die Schweiz beteiligen, weil es sich um eine Schengen-Weiterentwicklung handelt. Der finanzielle Beitrag der Schweiz steigt dabei von ursprünglich 14 Millionen Franken pro Jahr auf rund 61 Millionen Franken pro Jahr bis 2027. Zudem soll die Schweiz Frontex auch mehr Personal zur Verfügung stellen.
Einsätze der Schweiz dürfen gemäss Vorlage nicht vom Kontingent der Grenzschützer an den Schweizer Grenzen abgezogen werden. Frontex-Einsätze unterliegen einem ähnlichen Genehmigungsverfahren wie die Militäreinsätze im Ausland. Über Einsätze bis sechs Monate befindet der Bundesrat, über sechs Monate die Bundesversammlung.
Ihre Fraktion sei nicht mehr gewillt, Vorlagen zuzustimmen, welche die Festung Europa ausbauen, sagte SP-Sprecherin Priska Seiler-Graf (ZH). «Alles was auf Abwehr zielt, wird in Schweizer Recht überführt. Eine Stärkung des Asylrechts wird ignoriert.»
Wenn der Rat die von der SP beantragte Erhöhung der Resettlement-Flüchtlinge nicht auf 4000 erhöhe, werde die Fraktion das Geschäft geschlossen ablehnen. «Es braucht dringend Verbesserungen im humanitären Bereich», so Seiler-Graf. Für die Jahre 2020 und 2021 hat der Bundesrat die Aufnahme von maximal 1600 Flüchtlingen beschlossen.
Für die Bürgerlichen und die Mitte-Partei wäre eine solche Verquickung von Sicherheits- und Asylpolitik indes sachfremd gewesen. Der Rat lehnte die Forderung deshalb mit 106 zu 86 Stimmen ab.
Die vielen Toten im Mittelmeer seien eine Schande für Europa, erklärte Beat Flach (GLP/AG) im Namen seiner Fraktion. Daran sei aber nicht Frontex schuld, sondern sie sei «eines der Mittel, um das künftig zu verhindern».
Pirmin Schwander (SVP/SZ) gab bekannt, seine Fraktion sei sich nicht einig. Es gebe Zustimmung und Ablehnung zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes. An die Adresse der Grünen und der SP sagte er, die SVP habe schon seit 2005 auf die Problematik eines Schengen-Beitritts der Schweiz hingewiesen. «Wir wussten, was auf uns zukommt.»
Das Zünglein an der Waage spielte die Mitte-Partei. Ihre Sprecherin Ida Glanzmann-Hunkeler (Mitte/LU) betonte, die Schweiz profitiere von vielen Vorteilen von Schengen. Die Sicherheit der Schweiz werde unter anderem auch mit der Sicherheit der Schengen-Aussengrenze gewährleistet.
Bundesrat Ueli Maurer sagte an die Adresse der Kritiker, der Ausbau des Engagements der Schweiz diene neben der Gewährleistung der Sicherheit auch den Grundrechten und der Transparenz. «Wenn wir hierbleiben, können wir das nicht.» Es gehe darum, legale Übertritte zu beschleunigen und illegale zu verhindern.
Weil es offensichtlich Übergriffe gegeben habe, würden neu auch 40 Beobachter an der Aussengrenze eingesetzt, um die Einhaltung der Menschenrechte zu überwachen. Eine Sistierung bringe deshalb auch nichts. Es sei besser, «wenn wir an der Front dabei sind». Die Schweiz könne ihre humanitäre Tradition, ihre Anliegen und ihre Rechtsauffassung so besser einbringen.
(SDA)