Hin und her geht es bei der Nachfolgesuche für den abtretenden SVP-Präsidenten Albert Rösti (52). Die Frist zur Nomination von Kandidaten durch die Kantone ist abgelaufen. Einzig Nationalrat Alfred Heer (58) erklärte sich grundsätzlich dazu bereit, die Partei zu führen.
Eine delikate Aufgabe: Die Wahlniederlage hat die SVP gehörig durchgeschüttelt und bereits im Mai steht mit der Begrenzungs-Initiative die aus Parteisicht wohl wichtigste Abstimmung der Legislatur an. Die Präsidentensuche beeinträchtigt den Auftakt des Abstimmungskampfs: SVP-Nationalrat Lukas Reimann (37, SG), der auch als Präsident der Auns für die Vorlage weibelt, meinte diese Woche gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «Die Situation ist nicht befriedigend. Es ist im Moment schwierig, mit der SVP zusammenzuarbeiten.»
Das überrascht insofern nicht, als dass hinter den Kulissen eine Reihe von Politikern damit beschäftigt ist, ihre Chancen auf den Chefsessel auszuloten. Sie suchen den Kontakt zur Findungskommission unter dem ehemaligen Fraktionschef Caspar Baader (66). Ende März wird die Kommission ihre Ergebnisse dem Parteileitungsausschuss präsentieren. Kurz bevor die Basis einen neuen Präsidenten wählt.
SVP spielt heute eine andere Rolle
Nationalrätin Yvette Estermann (52) hat ihre liebe Mühe mit dem Verfahren. «Der Prozess ist so aufgegleist, dass die Parteispitze den Delegierten einen Präsidenten empfehlen wird, der Christoph Blocher genehm ist. Allein die Findungskommission scheint mir für diese Aufgabe handverlesen», sagt die Luzernerin. Tatsächlich sind neben Baader mit Ex-Parteichef Toni Brunner (45), dem ehemaligen Generalsekretär Martin Baltisser (50) und Fraktionschef Thomas Aeschi (41) weitere enge Weggefährten Blochers mit der Auswahl der Kandidaten betraut. «Dabei war unser bester Präsident Ueli Maurer», so Estermann. «Er bewahrte sich seine Unabhängigkeit, und das machte ihn so erfolgreich.» Allein deshalb wäre eine offene Ausmarchung innerhalb der SVP wünschenswert.
In der Ära des heutigen Bundesrats Maurer (69) etablierte sich die SVP als die stärkste Partei im Land. Heute spiele die SVP eine andere Rolle: «Wir sind nicht mehr in der Opposition wie vor 20 Jahren. Jetzt gilt es, Politik für unsere Wähler zu machen», sagt Estermann. Die Menschen würden wohl merken, wenn die SVP nur provoziert statt mitgestaltet. Mit dieser Einschätzung steht die Nationalrätin nicht allein. «Aber in der Fraktion sind nicht alle bereit, auch einmal ihre eigene Meinung zu vertreten. Denn da wird man rasch einmal zurechtgewiesen.» Das passt der in der ehemaligen Tschechoslowakei geborenen Estermann gar nicht. «Ich habe meine Jugend in einer Diktatur verbracht und reagiere auf solche Tendenzen sehr sensibel.»