SBB-Langzeit-Chef tritt ab
Mensch Meyer

Geliebt wegen seiner dynamischen und offenen Art. Gehasst wegen seines Millionen-Salärs und den sich häufenden Verspätungen: Andreas Meyer hinterlässt eine andere SBB als die, die er vor 13 Jahren übernommen hat.
Publiziert: 04.09.2019 um 11:27 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2019 um 16:58 Uhr
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Ein Highlight in Meyers Karriere: Am 1. Juni 2016 wurde der Gotthardbasis-Tunnel eröffnet. Ein emotionaler Moment auch für die beiden damaligen Bundesräte, Johann Schneider-Ammann und Doris Leuthard.
Foto: Keystone
Nico Menzato und Tobias Bruggmann

Es ist der CEO, der gerne auch mal die Hosen runterlässt: 2012 ging Andreas Meyer (58) für ein Porträt im BLICK in der Aare schwimmen – und gönnte sich danach eine Portion Pommes frites mit seiner Frau Marie-Theres. Die Bilder waren bei den SBB-Mitarbeitern tagelang das Gesprächsthema Nummer 1.

Der Chef in Badehosen! Dabei passt der Auftritt so gut zum Charakter des Baselbieters. Er möchte ein volksnaher Manager sein, stets darum bemüht, den direkten Kontakt zu den SBB-Mitarbeitern zu pflegen. Was nicht immer gelang. Zu sehr ist er rationaler Manager denn Identifikationsfigur. 

GAs immer teurer

Meyer inszenierte sich gerne selbst – am liebsten natürlich mit Positiv-Nachrichten. Aber er stand auch dann hin, wenn es um Zug-Pannen oder defekte WCs ging. Oder um die stetig steigenden Billett-Preise: So kostete das General-Abo beim Amtantritt Meyers 2007 noch 2990 Franken. Heute sind es bereits 3860 Franken.

Meyer, parteilos aber mit CVP-Vergangenheit, hat die SBB zu einem modernen Unternehmen umgebaut. Durch seine dynamische Art und immer neuen Ideen zur Zukunft der Mobilität. Loben die einen.

Andere kritisieren seinen forschen Führungsstil und meckerten, dass er lieber rede, als zuhöre und es «keine Feier ohne Meyer» gegeben habe. Hoch ist die Fluktuation in seiner Ära bei der Führungsriege. 25 unterschiedliche Mitglieder sassen seit 2007 im Verwaltungsrat der Bundesbahnen, in der Konzernleitung gingen und kamen 21 Leute.

In seinen Adern fliesst Eisenbahner-Blut

Meyer stammt aus einer Baselbieter Bähnlerfamilie. Sein Vater arbeitete als SBB-Wagenmeister und später als Chef der SBB-Betriebswerkstatt Muttenz BL. Spross Andreas kam schon früh in Kontakt mit den SBB. Er begleitete seinen Vater schon als als Bub auf den Rheinhafen, wo er Wagenladungen kontrollierte und Bremsproben ausführte. Während seines Jus-Studiums dann jobbte er als Putzkraft in den SBB-Waggons.

Später behauptete er sich in Deutschland – was den wenigsten Schweizern gelingt. Bei der Deutschen Bahn hatte der dreifache Familienvater diverse Positionen inne, zuletzt war er Chef der Sparte Stadtverkehr. Dann trat Benedikt Weibel (72) zurück und Meyer war einer von 30 Bewerbern für den Job als neuer SBB-Chef.

Er machte als Aussenseiter und Aussenstehender das Rennen. «Meyer besitzt eine hohe soziale Kompetenz mit ausgeprägter Führungsfähigkeit und -erfahrung», begründete der damalige SBB-VR-Präsident Thierry Lalive d'Epinay (75) die Wahl.

Viel Herzblut, hohe Ziele

Seither lebt Meyer für das Unternehmen SBB, in hektischen Zeiten schlief er teils nur drei Stunden pro Nacht, wie Arbeitskollegen erzählten. Er setzt sich mit Herzblut ein und schraubt die Ziele in marktwirtschaftlicher Manier in die Höhe.

«Wir müssen noch pünktlicher werden – gerade in unserem dichten System ist das wichtig: Ein paar Minuten Verspätung, und der Anschlusszug ist weg», sagte er etwa in einem der ersten von unzähligen Interviews.

Dieses Ziel verfehlte er: So hatten im Jahr 2006, bevor Meyer CEO war, 3,8 Prozent aller Züge eine Verspätung von mehr als fünf Minuten. Im vergangenen Jahre kam jeder zehnte Zug mehr als drei Minuten zu spät am Ziel an. Allerdings definieren die SBB die Pünktlichkeit nun auch strenger. Gleichzeitig erhöhte sich die Frequenz auf dem Schienennetz, ebenso die Zahl der Pendler: So stieg die jährliche Passagierzahl in der Ära Meyer von 285 auf 456 Millionen.

In Millionenhöhe kletterte auch das Salär des SBB-Bosses, was immer wieder zu heftiger Kritik führte. Seit 2010 knackte er die Millionengrenze regelmässig. Er gilt als bestbezahlter Chef eines Staatsbetriebs.

Verspätungen, Probleme beim Rollmaterial, Unfälle

Bundesbern half Meyer, seine SBB für die Zukunft zu wappnen: So beschloss das Parlament kürzlich, für den Ausbau des Schienennetzes satte 13 Milliarden Franken auszugeben. 

Trotz dieser freudigen Nachricht war das laufende Jahr für Meyer kein gutes: Die Bundesbahnen kämpften während der Hitzewelle mit deformierten Geleisen und massiven Verspätungen auf einzelnen Strecken. Dazu kommen ein Lokführer-Mangel und die anhaltenden Lieferprobleme beim Wackelzug Dosto.

Und dann ereignete sich ein tödlicher Unfall: Zug-Chef Bruno R. (†54) wurde Anfang August am Bahnhof Baden AG in einer Tür eingeklemmt, mehrere Kilometer mitgeschleift und tödlich verletzt.

Meyer behauptete, für Passagiere bestehe keine Gefahr – bis sein Unternehmen eingestehen musste, dass in vier Jahren 86 Passagiere eingeklemmt worden sind. Die SBB entdeckten weitere 69 Türen mit sicherheitsrelevanten Mängeln. Ein internes Dokument belegt laut SonntagsBlick zudem, dass innerhalb der SBB spätestens 2018 bekannt war, welche Gefahr von defekten Türen ausgeht.

Seit diesem Unfall befinden sich die SBB in der Krise. Es dürfte nicht die letzte sein, die ihr Chef Meyer zu meistern hat. Ende 2020 tritt er spätestens ab – nach 14 Jahren.

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