Genau 119 Russen lebten letztes Jahr mit einer ganz speziellen Aufenthaltsgenehmigung im Land. Die Schweiz liess sie residieren, um «wichtige öffentliche Interessen zu wahren». Das können bedeutende kulturelle Anliegen sein, staatspolitische Gründe oder Strafverfahren. Meist sind sie aber aus einem sehr profanen Grund hier: Die Schweiz verspricht sich fette Beute. «Erhebliche kantonale fiskalische Interessen», wie das offiziell genannt wird.
Der Deal: Reiche Ausländer werden zu Pauschalbesteuerten und erhalten dafür ihre Aufenthaltsgenehmigung. Russen kamen am meisten, gefolgt von Brasilianern und Türken. Die 119 Russen, die das Staatssekretariat für Migration gezählt hat, sind aber auch 119 potenzielle Risikofaktoren, wie der Fall Viktor Vekselberg zeigte.
Bevor dieser auf die US-Sanktionsliste gesetzt wurde, stand er mit 210 Landsleuten auf der Putin-Liste. In dieser Vorhölle amerikanischen Bestraftwerdens finden sich weitere Oligarchen mit Wohnsitz in der Schweiz. Etwa Wassili Anisimow aus Küsnacht, 1,38 Milliarden US-Dollar schwer. Gennadi Timtschenko, ein 14-Milliarden-Mann aus Genf und Judo-Trainingspartner Wladimir Putins, wird gleich auf mehreren US-Listen geführt, darunter auch auf der Krim-Sanktionsliste.
Kein Interesse an schmutzigen Geldern
«Die Schweiz ist leider erste Adresse für korrupte Russen», sagte Alexei Nawalny, russischer Oppositioneller und Putin-Kritiker gegenüber Swissinfo.ch. Die Schweizer Behörden hätten wohl kein Interesse daran, die eigenen Bürger vor Dieben und Mördern zu schützen. Das Interesse an schmutzigen Geldern sei nicht zu übersehen.
Die Russen und die Schweiz. Die ganz grosse Liebe ist das aber nicht mehr. Das beobachtet Robert Ferfecki von Fine Swiss Properties. Der Immobilienvermittler kennt sich mit Russen aus, vor einem Jahrzehnt beriet er auch Vekselberg. «Viele Russen sind gegangen», sagt er. Aus mehreren Gründen: Zürich und weitere Kantone haben die Pauschalbesteuerung abgeschafft, das Bankgeheimnis wurde aufgehoben, die globale Weltwirtschaftskrise tat ihren Rest: «Es ist eine Verunsicherung da, und das Letzte, was diese Leute wollen, ist Unsicherheit.»
Nun ist Ferfecki daran, die Villen der Russen zu verkaufen. «In Herrliberg kann ich auf einem Quadratkilometer fünf Villen identifizieren, die seit Jahren leer stehen», sagt er. Die Zahlen geben ihm recht. 14'000 Russen leben im Land. Nach einem Boom stagniert der Bestand seit ein paar Jahren. Das Gleiche gilt für die Russen von «öffentlichem Interesse». Es kommen kaum weitere. Die Karawane zieht weiter. Monaco steht laut Ferfecki hoch im Kurs.