Export von Kriegsmaterial nimmt um 14 Prozent zu
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Exporte für 510 Millionen CHF:Export von Kriegsmaterial nimmt um 14 Prozent zu

Rüstungsindustrie jammert – Seco hilft
Beamte machen Propaganda für Waffenschmieden

Die Schweiz hat letztes Jahr mehr Waffen exportiert als in den letzten drei Jahren. Dennoch hört die Rüstungslobby nicht auf zu klagen. Und wird dabei vom Bund unterstützt.
Publiziert: 26.02.2019 um 23:02 Uhr
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Die Schweiz exportierte 2018 Waffen im Wert von über einer halben Milliarde Franken. Das waren mehr als 2017.
Foto: Keystone
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Sermîn FakiPolitikchefin

Vor knapp anderthalb Jahren malte die Schweizer Rüstungsindustrie rabenschwarz: Wenn sie nicht endlich Waffen in Bürgerkriegsländer exportieren könne, müssten viele Waffenschmieden schliessen.

Jetzt zeigt sich: Das Klagen war grundlos. Die Schweizer Rüstungsindustrie konnte ihre Exporte im letzten Jahr erneut steigern: Waffen im Wert von 510 Millionen Franken verliessen das Land. 63 Millionen mehr als 2017 und gar knapp 100 Millionen Franken mehr als noch vor zwei Jahren. 

Rüstungslobby macht mobil

Trotz dieser Entwicklung haben rüstungsnahe Kreise bereits wieder in den Alarmmodus geschaltet. Die Branche profitiere derzeit noch von früher abgeschlossenen Verträgen, so der Arbeitskreis Sicherheit und Wehrtechnik, den die Nationalräte Corina Eichenberger (64, FDP) und Jean-François Rime (68, SVP) sowie Ständerat Isidor Baumann (63, CVP) präsidieren. «Werden die Exportzahlen der letzten zehn bis fünfzehn Jahre herangezogen, zeigt sich ein kontinuierlicher Rückgang bei den Exporten und Armeebestellungen, was die Industrie schwächt.»

Der Arbeitskreis zweifelt an, dass die Exporte wirklich zugenommen haben. Denn ab diesem Jahr zieht das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine andere Datenquelle für die Statistik heran, in der auch temporäre Ausfuhren oder Re-Exporte nach Reparaturen eingerechnet werden. Allerdings: Selbst das Seco kann nicht sagen, welchen Anteil diese am Gesamtexport haben.

Das Seco als verlängerter Arm der Waffenschmieden?

Dennoch stimmt auch das Seco, dem die Kontrolle der Waffenausfuhren obliegt, in den warnenden Kanon mit ein. Die Situation der Rüstungsindustrie bleibe «angespannt», so Simon Plüss, Chef der Abteilung Rüstungskontrolle.

Zum Beweis präsentierte das Staatssekretariat gestern eine Grafik, die einen deutlichen Negativtrend bei den Exporten zeigt:

Diese Grafik zeigte das Seco gestern.
Foto: Seco

Doch dabei ist das Seco nicht ganz ehrlich: Es hat nur den Zeitraum von 2006 bis 2018 angeschaut – mit den Rekordjahren 2008 bis 2012. Berücksichtigt man die ganze Zeitreihe seit 1983, zeigt sich indes, dass der Trend für die Rüstungsindustrie positiv ist:

So verläuft der Trend seit 1983.
Foto: Blick Grafik

Macht sich das Seco also – frei nach Pippi Langstrumpf – «die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt»? Sprecher Fabian Maienfisch verneint. Man habe für die Präsentation auf eine Grafik zurückgegriffen, die schon 2016 erstellt worden sei. Damals wählte man einen Zeitraum von zehn Jahren für die Betrachtung. Seither habe man den Anfangspunkt nicht angepasst. Der dargestellte Zeitraum sei also «Zufall».

Exporte nach Europa legen zu

Die steigenden Waffenexporte 2018 sind hingegen sicher kein Zufall. Grossen Anteil daran hatten Lieferungen innerhalb Europas. Das Volumen stieg im letzten Jahr um 160 Millionen Franken. Vier der besten fünf Kunden finden sich in in der Nähe: Deutschland, Dänemark, Rumänien und Italien. Nach Frankreich, Belgien, Österreich und in andere EU-Staaten konnte die Schweiz ebenfalls deutlich mehr Kriegsmaterial verkaufen. Und die USA verdoppelten ihre Einkäufe in der Schweiz.

Allerdings: Auch mit fragwürdigen Staaten machen die Waffenschmieden noch gute Geschäfte. Für Saudi-Arabien gilt zwar seit dem 31. Oktober ein Exportstopp wegen des Mordes am saudischen Journalisten Jamal Kashoggi (†59). Zuvor wurden jedoch noch Waffen-Ersatzteile im Wert von 2,3 Millionen Franken geliefert.

Schweiz zahlt für Opfer des Jemen-Krieges und liefert Waffen

In die Vereinigten Arabischen Emirate lieferte die Schweiz gar dreimal mehr Waffen als 2017. Das Land ist massgeblich am Jemen-Krieg beteiligt – zu dem in Genf gerade eine Geberkonferenz stattfindet. Die Schweiz hat sich gestern verpflichtet, die jemenitische Bevölkerung mit 13,5 Millionen Franken zu unterstützen.

Auch Bahrain kaufte 2018 für drei Millionen Franken ein. Und nach Pakistan – wo sich gerade ein blutiger Konflikt mit Indien abzeichnet – wurden Waffen im Umfang von zehn Millionen Franken geliefert. Indien selbst war letztes Jahr kein guter Kunde, die Exporte hatten einen Wert von 1,7 Millionen Franken. 2017 waren es noch knapp neun Millionen.

Keine Not für dreckige Geschäfte

Die Schweizer Rüstungsfirmen haben 2018 Waffen im Wert von einer halben Milliarde Franken exportiert. Eine Steigerung von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In anderen Branchen würde das jüngste Ergebnis als Bestätigung einer Trendwende gesehen. Nicht so in der Rüstungsindustrie. Die schickte stattdessen ihre Lobbyisten vor, die ungeachtet der neusten Zahlen vor dem Untergang der Rüstungsfirmen warnen.

Der Bund – vertreten durch das Staatssekretariat für Wirtschaft – betätigt sich als verlängerter Arm der Waffenschmieden, wenn er von einer «angespannten» Lage der Branche redet und diese mit eigenwillig zusammengesuchten Zahlen belegt.

Diese Haltung ist gänzlich bizarr. Denn der Grossteil der Exporte ging in befreundete Staaten wie Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien und die USA. Allein die Lieferungen in EU-Länder trugen 385 Millionen Franken zur erfreulichen Entwicklung für die Rüstungsindustrie bei.

Das zeigt: Es geht auch ohne Schurkenstaaten. Es geht auch ohne Waffenlieferungen an Länder, die in Bürgerkriege verwickelt sind. Berechnet man den Wert der Exporte in jene heiklen Staaten, kommt man auf knappe 30 Millionen. Nicht einmal die Hälfte dessen, was die Rüstungsindustrie im letzten Jahr zulegen konnte.

Wer für derart kleine Summen das Ansehen der humanitären und neutralen Schweiz aufs Spiel setzt, handelt fahrlässig. Geradezu zynisch wird das Klagen der Waffenschmieden jedoch, wenn ihre todbringenden Güter in Konflikten eingesetzt werden, für deren Opfer die Schweiz dann humanitäre Hilfe leistet. Beispiel Jemen: Der Bundesrat verpflichtete sich gestern, der unter dem Krieg leidenden Bevölkerung 13,5 Millionen Franken zukommen zu lassen. Das entspricht ziemlich genau dem Wert der Schweizer Waffenlieferungen an die kriegführenden Staaten.

Sermîn Faki, Politik-Chefin BLICK
Sermîn Faki, Politik-Chefin BLICK

Die Schweizer Rüstungsfirmen haben 2018 Waffen im Wert von einer halben Milliarde Franken exportiert. Eine Steigerung von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In anderen Branchen würde das jüngste Ergebnis als Bestätigung einer Trendwende gesehen. Nicht so in der Rüstungsindustrie. Die schickte stattdessen ihre Lobbyisten vor, die ungeachtet der neusten Zahlen vor dem Untergang der Rüstungsfirmen warnen.

Der Bund – vertreten durch das Staatssekretariat für Wirtschaft – betätigt sich als verlängerter Arm der Waffenschmieden, wenn er von einer «angespannten» Lage der Branche redet und diese mit eigenwillig zusammengesuchten Zahlen belegt.

Diese Haltung ist gänzlich bizarr. Denn der Grossteil der Exporte ging in befreundete Staaten wie Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien und die USA. Allein die Lieferungen in EU-Länder trugen 385 Millionen Franken zur erfreulichen Entwicklung für die Rüstungsindustrie bei.

Das zeigt: Es geht auch ohne Schurkenstaaten. Es geht auch ohne Waffenlieferungen an Länder, die in Bürgerkriege verwickelt sind. Berechnet man den Wert der Exporte in jene heiklen Staaten, kommt man auf knappe 30 Millionen. Nicht einmal die Hälfte dessen, was die Rüstungsindustrie im letzten Jahr zulegen konnte.

Wer für derart kleine Summen das Ansehen der humanitären und neutralen Schweiz aufs Spiel setzt, handelt fahrlässig. Geradezu zynisch wird das Klagen der Waffenschmieden jedoch, wenn ihre todbringenden Güter in Konflikten eingesetzt werden, für deren Opfer die Schweiz dann humanitäre Hilfe leistet. Beispiel Jemen: Der Bundesrat verpflichtete sich gestern, der unter dem Krieg leidenden Bevölkerung 13,5 Millionen Franken zukommen zu lassen. Das entspricht ziemlich genau dem Wert der Schweizer Waffenlieferungen an die kriegführenden Staaten.

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