Rüffel des Bundesgerichts
Zürich muss Ausschaffungshäftlinge freilassen

In Zürich mussten abgewiesene Asylbewerber auch während der Corona-Krise in Ausschaffungshaft bleiben. Das geht nicht, urteilt das Bundesgericht.
Publiziert: 15.06.2020 um 16:04 Uhr
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Aktualisiert: 25.06.2020 um 10:37 Uhr
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Im Flughafengefängnis Zürich sind auch während der Corona-Pandemie abgewiesene Asylbewerber inhaftiert.
Foto: Keystone
Lea Hartmann

Das Bundesgericht pfeift den Kanton Zürich zurück. Das Migrationsamt muss zwei abgewiesene Asylbewerber per sofort aus der Ausschaffungshaft freilassen. Grund dafür ist die Corona-Krise.

Die Administrativhaft dürfe nur angeordnet werden, wenn eine Ausschaffung absehbar ist, argumentierte das Gericht. Wegen der Corona-Pandemie ist das aber in vielen Fällen nicht gegeben. Zahlreiche Staaten haben Einreisesperren verhängt, was Rückführungen dorthin derzeit verunmöglicht.

Verein fordert Kantone zum Handeln auf

Mit den beiden Urteilen hat die Rechtsberatungsstelle AsyLex vor höchster Instanz gegen Zürich gesiegt. Sie war gegen das Migrationsamt vor Gericht gezogen.

Der Verein fordert nun, dass umgehend alle Ausschaffungshäftlinge entlassen werden – nicht nur im Kanton Zürich. «Eine andere Praxis kann nach der neuesten bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr vertreten werden», schreibt AsyLex in einer Mitteilung.

Mit Basel-Stadt, Baselland und Genf gibt es vereinzelt Kantone, die die Administrativhaft während der Krise von sich aus aufgehoben haben.

Nur «Dublin-Fälle» kamen frei

Zürich hingegen hält trotz Bundesgerichts-Rüffel im Grundsatz an seiner Praxis fest. Die Zürcher Sicherheitsdirektion, zu der das Migrationsamt gehört, sieht ihre Fehler nicht ein. Man habe «den Einschränkungen während der Covid-Krise vollumfänglich Rechnung getragen und sämtliche Administrativhaft-Fälle einzelfallweise überprüft», teilt der Kanton in einer Mitteilung mit.

Im Zuge dieser Überprüfung seien alle Dublin-Fälle aus der Haft entlassen worden. Dabei geht es um Personen, für deren Asylgesuch ein anderer europäischer Staat zuständig ist. In Haft blieben aber Personen, die in ein Land ausserhalb der EU ausgeschafft werden sollen.

Das Zürcher Migrationsamt betont zudem, dass sich das Bundesgericht bei seinen Urteilen auf die Situation im vergangenen April beziehe. «Seither hat sich die Lage verändert.» So sind seit heute Montag wieder alle Grenzen innerhalb des Schengen-Raums offen. Für Drittstaaten ausserhalb Europas gilt das aber nicht – und von hier stammt ja der Grossteil der Asylsuchenden.

Harsche Kritik an Kanton Zürich

Darum kritisiert AsyLex: Dies alles habe überhaupt keine Auswirkungen auf die Situation von Personen, die nicht aus dem EU-Raum kommen. Wie aus der Begründung der Richter hervorgehe, habe die Freilassung überhaupt nichts mit den Schweizer beziehungsweise den EU-Grenzen zu tun. Vielmehr sei die Situation im Herkunftsland der betroffenen Personen entscheidend. Die Argumentation der Sicherheitsdirektion ziele damit «völlig ins Leere», sagt AsyLex-Präsidentin Lea Hungerbühler.

Die beiden abgewiesenen Asylbewerber sind auf Geheiss des Bundesgerichts derzeit zwar frei. «Es ist aber nicht auszuschliessen», so Hungerbühler, «dass das Migrationsamt bald wieder Haft anordnen wird».

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