Ende Legislatur geht er. Das hat FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann (66) in der «NZZ» klargemacht. Ein früherer Abgang ist nicht vorgesehen, sofern die Gesundheit mitspielt.
Die FDP braucht diese Steilvorlage nur noch ins Goal zu kicken: Wenn sie frühzeitig bekannt gibt, auf ein reines Frauenticket zu setzen, wird der Wahlkampf 2019 zum Heimspiel. Die Stimmen werden der Partei bis zur Parlamentswahl am 20. Oktober nur so zufliegen.
Seit Kopp gab es keine FDP-Bundesrätin mehr
Denn Hand aufs Herz: Kann es sich die FDP leisten, dass für Scheider-Ammann keine Frau gewählt wird? Nein. Seit dem Rücktritt von Elisabeth Kopp (81) im Januar 1989 hatte die FDP keine Bundesrätin mehr. Schon bei der letzten Vakanz wurde der Ruf nach einer weiblichen Vertretung laut.
Jetzt muss die FDP verhindern, dass ihr die Bundesversammlung einen Mann in den Bundesrat setzt. Alle Diskussionen darüber, ob zum Beispiel der Bündner Ständerat Martin Schmid (48) oder der Zürcher Ruedi Noser (57) doch noch eine Chance erhalten sollen, kosten unnötig Sympathie.
Walti tastet sich ans Frauenticket heran
Noch ist Fraktionschef Beat Walti (49) vorsichtig: «Ein reines Frauenticket könnte das Ergebnis des Nominationsverfahrens sein.» Aber früher oder später dürfte es auf folgendes Szenario hinauslaufen: Walti verkündet, dass die FDP eine Damenwahl will – vorzugsweise aus der Zentral- oder Ostschweiz, denn diese Regionen sind seit geraumer Zeit nicht mehr im Bundesrat vertreten.
Die eingesetzte Findungskommission wird später fündig: bei Karin Keller-Sutter (54). Die St. Galler Ständerätin ist sogleich gesetzt. Bei «KKS» stimmt einfach alles: Geschlecht, Herkunftsregion, Alter, Exekutiverfahrung als Regierungsrätin. Und heute hat sie Berner Stallgeruch – anders, als sie noch gegen Schneider-Ammann unterlag. Keller-Sutter hat sich im Stöckli Respekt verschafft, auch bei den Linken, wie SP-Chef Christian Levrat (47) seit einiger Zeit zu verstehen gibt.
Von der Ein-Themen-Politikerin zur Parteilenkerin
Und die Kommission findet Petra Gössi (43). Die Parteipräsidentin kann sich grosse Hoffnungen machen, als zweite Frau neben KKS aufs Ticket zu kommen. Die Schwyzer Nationalrätin hat sich an der Parteispitze von einer unpolitischen Ein-Themen-Politikerin, die von sechs Uhr morgens bis zwölf Uhr nachts nur an Steuern denkt, zur beliebten und anerkannten Parteilenkerin entwickelt.
Als dritte Frau bei der Damenwahl könnte noch Regierungsrätin Carmen Walker Späh (60) dazustossen – doch sie ist Zürcherin.
Erst kommt der Leuthard-Ersatz
Wer von den drei den Sprung in die Landesregierung schafft, hängt aber von der Ersatzwahl für Doris Leuthard (55) ab – und zwar egal, ob diese noch heuer stattfindet, wie SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (39) wissen will: «Es sind überall Gerüchte zu hören, Leuthard trete im Juni zurück, um ihrer Partei ein Sommertheater mit einem Kandidatenkarussell zu ermöglichen.» Oder ob sie erst im Dezember 2019 zusammen mit der Schneider-Ammann-Ersatzwahl abgehalten wird.
Aufgrund des Amtsalters wird der Leuthard-Sitz ohnehin zuerst besetzt. Wählt die Bundesversammlung dann jemanden aus der Zentralschweiz, kann KKS den Champagnerkorken knallen lassen.
Kommt Leuthards Nachfolger aber aus der Ostschweiz, wird es spannend: Mit KKS und Gössi stünden gleich zwei starke Frauen zur Auswahl – von deren Kaliber die anderen Parteien aktuell nicht einmal eine haben.
Plötzlich zwei Ostschweizer Bundesräte?
Wegen der Herkunftsregion müsste die Wahl auf Gössi fallen. Doch weil Keller-Sutter doch noch ein kleines bisschen stärker sein dürfte, könnten am Schluss einige wenige Stimmen darüber entscheiden, ob die Ostschweiz Ende 2019 plötzlich zwei Bundesräte hat oder die FDP einen neuen Präsidenten suchen muss.
Da Schneider-Ammann nicht vorzeitig geht, wird sicher erst der Leuthard-Ersatz gewählt. Da die Christdemokraten mit der Aargauerin bald zwölf Jahre lang eine Frau im Bundesrat hatten, steht die CVP weniger unter Druck als die FDP, nicht nur Männer zu bringen. Aber auch für sie würde sich eine Geschlechterauswahl gut machen.
Graber, Hegglin, Pfister oder doch Gmür-Schönenberger?
In der Zentralschweiz drängen sich der Luzerner Ständerat Konrad Graber (59), der Zuger Ständerat Peter Hegglin (57) und Parteipräsident Gerhard Pfister (55, ZG) auf. Und zwei Frauen – die Luzerner Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger (53) und die Urner Regierungsrätin Heidi Z'graggen (52). Allerdings tun sich Regierungsräte schwer bei Bundesratswahlen.
In der Ostschweiz hat die CVP weniger gute Kandidaten. Bauernpräsident Markus Ritter (51, SG) hat sich mit seiner Verweigerungshaltung gegenüber neuen Freihandelsabkommen nur bei Landwirten Freunde gemacht. Und der frühere Bündner Regierungsrat Stefan Engler (57) hat sich zwar als Ständerat einen Namen gemacht, seine ungeklärte Rolle im Baukartell-Skandal schmälert seine Chancen aber enorm.
Candinas der Sympathieträger und Fässler der Staatsmann
Der Bündner Nationalrat Martin Candinas (37) ist ein Sympathieträger. Er könnte der CVP einen jugendlich-frischen Anstrich geben, wie einst Leuthard das tat. Auch den Appenzeller Nationalrat Daniel Fässler (57) sehen viele in der Landesregierung. Doch während sich bei Candinas dessen Frau gegen eine Kandidatur stellen soll, will Fässler bislang selbst nicht kandidieren.
Aus heutiger Sicht hat nur eine einzige CVP-Frau aus der Ostschweiz Chancen: die Thurgauer Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (59).
Zwar sagt der Tessiner CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi (61): «Die Ansprüche der geografischen Regionen sind vielleicht ein bisschen weniger stringent als die der Sprachregionen.» Aber auch er geht davon aus, dass nun die Ost- und die Zentralschweiz ihre Chancen packen.
Amherd, Schneider-Schneiter und Bischof wohnen in der falschen Gegend
Kandidaten, die aus anderen Regionen kommen, sind also nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Da wären in der CVP: Vize-Fraktionschefin und Nationalrätin Viola Amherd (55), Parteivorstandsmitglied Elisabeth Schneider-Schneiter (54, BL), aber auch die Zürcher Baudirektorin Silvia Steiner (60).
Auch der Solothurner Ständerat Pirmin Bischof (59) wird immer wieder genannt.
Vom Berner Comeback von Christophe Darbellay ist die Rede
Nicht ausgeschlossen ist auch, dass ein bekannter CVPler in Bundesbern sein Comeback gibt: Christophe Darbellay (47). Der frühere Parteipräsident gilt nicht unbedingt als Wunschkandidat seines Nachfolgers Pfister. Er macht im Amt als Walliser Staatsrat aber eine gute Figur. Die Affäre um sein aussereheliches Kind scheint vergessen.
Angesichts der Qualität der Kandidaten dürfte es beim CVP-Ticket vor allem auf Zentralschweizer hinauslaufen. Allenfalls hievt man noch einen Quoten-Ostschweizer in die Kandidatenrunde, um die dortigen Wähler nicht zu vergraulen, beispielsweise Ritter oder Häberli.
Er könnte der letzte Bundesrat seiner Partei sein
Und wer wird das Rennen machen? Lange hatte es nach Graber ausgesehen. Nur sein Alter und dass er einigen zu wenig stramm bürgerlich politisiert, sprachen gegen ihn. Das hat sich Ende Februar aber schlagartig geändert: Er verhinderte mit einem Antrag, dass grosse Unternehmen Lohndiskriminierungen zwischen Frauen- und Männerlöhnen hätten aufdecken müssen. Das kostete ihn viel Sympathie – nicht nur bei den Frauen.
Der Ausgang bei der CVP ist offen – vor allem, wenn die Wahl im Dezember 2019 stattfände und die CVP bei den Parlamentswahlen im Oktober derart stark verlieren würde, dass ihr die nächstkleinere Partei im Nacken sässe. Wer weiss, ob es der letzte CVP-Bundesrat ist.