Für einmal war Johann Schneider-Ammann (66) zu schnell: Seinen Rücktritt hat der Wirtschaftsminister drei Tage früher als ursprünglich vorgesehen bekannt gegeben. Er tat dies, weil zur Presse durchgesickert war, dass er seinen Abgang verkünden will. Verständlich. So aber verhinderte der Wirtschaftsminister einen geordneten Doppelrücktritt.
Selbst wenn Doris Leuthard im Sinn gehabt hätte, gemeinsam mit Schneider-Ammann zu gehen – es wäre gar nicht möglich gewesen: Sie weilte in New York und kommt erst am Mittwoch zurück nach Bern.
Was macht Leuthard?
Daher stellt sich nun die Frage: Kommt es diese Woche zu einem zweiten Einzel-Rücktritt? Oder will sie doch bis zu den Wahlen im kommenden Herbst im Amt zu bleiben?
Einige Auguren in Bern gehen nach wie vor davon aus, dass die CVP-Bundesrätin es dem FDP-Magistraten noch diese Woche oder aber Anfang Oktober gleichtun wird und ebenfalls ihren Abgang auf Ende Jahr bekannt gibt. So täte Leuthard dem Parlament einen Gefallen: Wenn zwei Sitze von zwei Parteien zur Auswahl stehen, auf die mit Ost- und Zentralschweiz zwei Regionen ihre Ansprüche erheben, vergrössert das die Wahlmöglichkeiten am 5. Dezember.
Eine Doppelvakanz könnte Keller-Sutter verhindern
Für die FDP-Kronfavoritin hat dieses Szenario allerdings auch ein Risiko: Denn bei einer Doppelvakanz würde der CVP-Sitz zuerst ersetzt. Eine starke Ostschweizer Kandidatur könnte Karin Keller-Sutter (54) verhindern. Was wiederum mehreren FDP-Männern, die selbst Bundesratsambitionen heben, in den Kram passen dürfte.
Andere Berner Insider meinen, jetzt eile ein Rücktritt Leuthards nicht mehr. Die beliebte Bundesrätin tue ihrer Partei einen Gefallen, wenn sie kommenden Sommer ihren Abgang auf Ende 2019 bekannt gebe. Dann könnte man vor den Wahlen im Herbst einen CVPler nach dem anderen zum Bundesratskandidaten machen und ins mediale Schaufenster stellen.
Leuthard ist nicht unschuldig an den Spekulationen
Ginge Leuthard erst Ende 2019, würde sicher CVP-Präsident Gerhard Pfister (55) wieder zum Thema als Kandidat. Will Leuthard sichergehen, dass der Nationalrat, der eher am rechten Rand der Partei steht, nicht ihr Nachfolger wird, muss sie jetzt schon gehen.
Denn für den Moment ist Pfister blockiert – wie FDP-Präsidentin Petra Gössi (42) muss er wegen der Parlamentswahlen am 20. Oktober 2019 bis nächsten Herbst Parteipräsident bleiben.
Schneider-Ammann hat mit seinem Vorpreschen eine neue Dynamik ausgelöst: Mehr als seine Nachfolge interessiert nun, wann Leuthard abtritt. Daran ist Leuthard nicht unschuldig. Als sie im Sommer 2017 öffentlich sagte, diese Legislatur sei ihre letzte, hat sie die Spekulationen angefeuert. «Wann sie geht, ist ja egal», drückte es gestern ein Parteiexponent aus. «Nur wüsste man es jetzt gern mal.»