Es war die Überraschung der Woche: Am Donnerstag kündigte Roger Köppel an, für die Zürcher SVP einen Sitz im Nationalrat anzustreben. Die Kandidatur des 49-jährigen Verlegers und Chefredaktors der «Weltwoche» schlägt hohe Wellen. Während ihn manche schon als Bundesrat sehen, decken ihn andere mit Beleidigungen («Fascho!») und Buhrufen ein – zum ersten Mal schon am Freitagabend bei Köppels Auftritt bei den Swiss Music Awards.
Samstagmorgen: Köppel stellt sich dem SonntagsBlick zum Interview. Wir starten mit einigen politischen Fragen. Stimmt er wie seine Partei der CVP-Familien-Initiative zu? Sollen die Ansätze der Sozialhilfe gekürzt werden? Was sagt der Neo-SVP-Politiker zur Homo-Ehe? Köppel wiegelt sofort ab. Zu konkreten Fragen mag er sich nicht positionieren: «Nebensächlichkeiten» seien das. «Gäggeli-Züüg.»
Der neue Star der Rechtspartei erinnert dabei auf Anhieb an SVP-Übervater Christoph Blocher (74). Der tut Fragen, die ihn nicht interessieren, ebenfalls als «Gäggeli-Züüg» ab. Dann versuchen wir es halt anders.
Herr Köppel, bei den Swiss Music Awards pfiff Sie ein Teil des Publikums aus. Überrascht?
Roger Köppel: Das gebührenfinanzierte staatliche Kulturfernsehen ist offenbar kein Eldorado der politischen Toleranz. Es tat mir leid für Krokus. Die Band hat eine bewundernswerte Lebensleistung hingelegt.
Eine Antwort, wie sie Blocher hätte geben können. Sind Sie sein Nachfolger?
Das sind Nebensächlichkeiten. Mir geht es ums Grundsätzliche. Die Schweiz geht den Bach runter. Die Unabhängigkeit gegenüber der EU wird torpediert. Volksentscheide werden nicht umgesetzt. Die Regierung stellt internationales Recht über Schweizer Recht. Die Staatssäulen der Schweiz werden von der linken Mehrheit in Bern zugrunde gerichtet.
Falls Sie gewählt werden, diskutieren Sie im Rat und in den Kommissionen meist nicht über Grundsätzliches, sondern über konkrete politische Fragen?
Wenn das Haus brennt, redet man nicht über neue Gartenmöbel. Mein Thema sind die gefährdeten Säulen unseres Rechtsstaats: Unabhängigkeit, direkte Demokratie, Föderalismus, Neutralität. Deshalb stelle ich mich der SVP als Kandidat zur Verfügung. Die Parteileitung der Zürcher SVP unterstützt mich. Das freut mich.
Nicht zur Freude aller SVPler. Viele machten die politische Ochsentour – und bekommen mit Köppel nun einen Quereinsteiger vor die Nase gesetzt.
Ich kann den Frust verstehen. Aber für mich steht die Sache im Vordergrund. Es geht um die Schweiz. Da müssen persönliche Belange zurückstehen. Und gewählt bin ich noch lange nicht.
Blocher sagt, Sie hätten auch einmal ein Angebot der FDP bekommen. Stimmt das?
Das ist doch absolut uninteressant.
Ja oder nein?
Es gab vage Anfragen, aber keine offiziellen.
Und warum die SVP?
Weil die SVP die für mich entscheidenden Anliegen am konsequentesten vertritt.
Sie fordern immer wieder den bürgerlichen Zusammenschluss. Holen Sie auch Stimmen der CVP und FDP?
Ich setze mich für eine unabhängige und weltoffene Schweiz ein. Es wäre besorgniserregend, wenn sich heute davon nur noch die SVP- Wähler angesprochen fühlten.
Tatsache ist doch, dass viele FDP- und CVP-Wähler mit der SVP und ihrem Stil überhaupt nichts mehr anfangen können. Die SVP hat sich aus deren Sicht radikalisiert.
Heute zählt das Wesentliche. Wir haben die Auseinandersetzung links gegen rechts. Links: Das ist der ausufernde Staat, der in die EU driftet. Rechts: Das sind die Bürgerinnen und Bürger, die an der Selbstbestimmung festhalten wollen. Jetzt müssen die Bürgerlichen gegen links zusammenstehen.
Ob Roger Köppel recht behalten wird, zeigt sich am 18. Oktober. Dann wird sich weisen, wie viel Unterstützung er tatsächlich aus dem bürgerlichen Lager bekommt. Sicher ist: Seine «Weltwoche» steht jetzt unter doppelt kritischer Beobachtung – das Magazin, seit Jahren auf strammem SVP-Kurs, gilt nun erst recht als Wahlkampfmaschine für seinen Besitzer. Auch auf seiner Redaktion erntet Köppels Kandidatur weitherum Stirnrunzeln.
Fragen nach möglichen Slogans und Wahlkampfplakaten schiebt er lässig beiseite. Das interessiere ihn nicht. Klar ist: Wegen seines Kultstatus in der SVP-Szene und seiner Bekanntheit muss er sich kaum Sorgen um seine Wahl machen.
Was sagt eigentlich Ihre Frau zu Ihrem zusätzlichen Engagement?
Die ist nicht begeistert. Zu Recht. Es wird kein Zuckerschlecken. Aber ich muss jetzt in dieses Getümmel einsteigen. Wie ich alles unter einen Hut bringe, weiss ich auch noch nicht.
SVP-Fraktionsschef Adrian Amstutz sieht Sie schon als möglichen Bundesratskandidaten.
Als Bundesrat müsste ich mich von der «Weltwoche» trennen. Das kommt nicht in Frage. Es gibt viele gute Kandidaten für den Bundesrat, aber gute «Weltwoche»-Verleger sind extrem selten.
Sie haben also keine langfristige Karriere im Visier?
Ich suche keine Karriere. Je weniger lang ich in Bern bleiben muss, desto besser.
Was keine Geiss wegschleckt: Sie werden in Ihrer Doppelrolle als Journalist und Politiker in massive Interessenkonflikte kommen.
Chabis! Ich steige als unabhängiger und kritischer Chefredaktor in den Wahlkampf. Werde ich Missstände nicht mehr aufdecken, falls ich irgendwann in Bern sitze? Sicher nicht!
Wieder hören wir den Blocher – Sie verströmen etwas Missionarisches.
Eine Mission ist etwas Gutes. Alle Journalisten haben eine politische Mission, überwiegend links – aber sie machen sie nicht transparent. Ich mache sie transparent. Meine Mission ist die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Schweiz.
Falls Sie gewählt werden – etwas kommt doch unter die Räder, zum Beispiel Ihre Familie.
Wir haben ein Milizsystem, es sind schon andere Unternehmer in die Politik eingestiegen. Es wäre schlimm für uns, wenn das nicht mehr möglich wäre.
Für viele waren Sie einer der talentiertesten Journalisten – für manche Kollegen sind Sie jetzt ein verlorener Sohn.
Das ist doch raufgejubeltes Zeug! Es ist immer das Gleiche: Du wirst aufs Podest gestellt, zwei Tage später ziehen sie es weg – damit du ein bisschen tiefer fällst.
Fakt ist, dass Sie seit Jahren polemisch SVP-Positionen vertreten und deshalb angefeindet werden.
Ich bin nicht polemisch. Aber ich habe nicht bei der polemischen Verteufelung der SVP mitgemacht. Aus einem Zustand der politischen Unbedarftheit vor 25 Jahren bin ich heute an einem Punkt, wo ich weiss, welche politischen Werte für mich wirklich zählen. Ich verteidige die Schweiz – auch im Ausland. Leider ist das nötig geworden.
Stimmt es eigentlich, dass Sie in letzter Zeit religiöser geworden sind?
Nicht religiös, aber theologisch interessiert. Religion heisst für mich, dass einer glaubt, eine direkte Standleitung zum lieben Gott zu haben. Das ist eine Anmassung. Gutmenschen und Frömmler reden von Gott und höchsten moralischen Werten, aber sie meinen sich selbst. Wo Gott oder Moral missbraucht wird, um andere herabzusetzen oder Gewalt zu rechtfertigen, läuft es mir kalt den Rücken runter. Fanatische Muslime glauben, sie vollstrecken Allahs Wille. Schlimm. Ich bin überzeugter Protestant.