Karin Keller-Sutter (54) sollte sich bei Heidi Z'graggen (52) bedanken. Denn mit deren Nomination für den Bundesrat sind die Augen nicht mehr auf die St. Galler FDP-Kandidatin gerichtet, sondern auf den Kampf um die Nachfolge von CVP-Magistratin Doris Leuthard (55).
Der Grund: Zwischen Z'graggen und der mit ihr nominierten Nationalrätin Viola Amherd (56, VS) wird es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommen. Einem Rennen, das zudem über die politische Ausrichtung in der Landesregierung entscheidet.
Amherd passt den Linken besser
Insbesondere für die Linken steht bei dieser Wahl einiges auf dem Spiel: Sie hoffen, die aktuell klaren Mehrheitsverhältnisse zugunsten von SVP und FDP mit Keller-Sutter etwas aufweichen zu können.
Amherd käme ihnen da recht: Sie politisiert gemäss NZZ-Ranking in der linken Hälfte der CVP. Und sie ist die Favoritin. Seit 13 Jahren im Bundeshaus präsent, hat es die Anwältin dort zur eigentlichen Chefin der CVP-Fraktion gebracht. Sie kennt die Mechanismen im Parlament besser als viele andere.
Z'graggen dürfte rechte Stimmen holen
Anders Z'graggen: Seit 14 Jahren Urner Regierungsrätin, ist sie gut vernetzt, etwa als Präsidentin der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission. Von 2007 bis 2016 sass sie zudem im CVP-Präsidium. Aber im Parlament kennt sie kaum jemand – ein Handicap.
Amherd muss sie dennoch fürchten. Mit ihrem stramm bürgerlichen Kurs werden Z'graggen die Stimmen von SVP und einem Grossteil der FDP zufliegen. Auch der rechte CVP-Flügel um Parteipräsident Gerhard Pfister (56) dürfte am 5. Dezember Z'graggen auf seine Wahlzettel schreiben.
Klar bürgerliche Ausrichtung
Das meint man auch in deren Heimatkanton. Z'graggens Chancen seien «intakt», sagt der ehemalige FDP-Präsident Franz Steinegger (75). Seine Frau Ruth Wipfli Steinegger (62) kennt Z'graggen aus der Urner Politik. Sie sagt: «Sie ist zu Recht auf diesem Ticket. Nicht nur als Urnerin hoffe ich, dass sie in den Bundesrat gewählt wird.» Z'graggen sei gradlinig, offen und sehr transparent in ihren Entscheidungen.
Wipfli bestätigt auch die klar bürgerliche Ausrichtung Z'graggens: «Sie politisiert liberal in wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen und restriktiv bei Migrationsthemen.»
Z'graggen will Image korrigieren
Die Innerschweizer Kandidatin, die seit zehn Jahren mit dem ehemaligen Zürcher SVP-Kantonsrat Bruno Dobler (66) liiert ist, weiss um ihr rechtes Image – und versucht bereits, dieses zu korrigieren. Sowohl in der CVP-Fraktion am Freitag als auch in den Sonntagsmedien gab sich Z'graggen als Umweltschützerin.
Wipfli Steinegger bestätigt diese «andere Seite». Aus ihrem Alltag als Regierungsrätin sei Z'graggen für den Natur- und Heimatschutz sensibilisiert. Aber: «Ihre umweltpolitische Position ist klar konservativ geprägt.»
«Hegglin im Jupe»
Für die Linke keine gute Nachricht: Hatte man namentlich bei der SP am Freitagabend aufgeatmet, dass nicht der rechte CVP-Ständerat Peter Hegglin (57) nominiert wurde, geht jetzt die Angst um, mit Z'graggen einen «Hegglin im Jupe» zu bekommen. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob das Kalkül der Urnerin aufgeht, sich mit einem grünen Mäntelchen linke Stimmen zu sichern.
Am 5. Dezember wählt die Vereinigte Bundesversammlung die Nachfolger/innen für die zurückgetretenen Bundesräte Johann Schneider-Ammann und Doris Leuthard. Die Wahl verspricht Spannung pur, denn es geht um das wichtigste Amt der Eidgenossenschaft.
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