Die Schweiz staunt über Fälle von schamloser Selbstbedienung ihrer Eliten. Erst flogen gierige Regierungsmitglieder in Genf und im Waadtland auf. Dann folgten die Exzesse in der Armee: Offiziere liessen Gattinnen an Seminare einfliegen, Militärkader gönnten sich Wein, Schnaps und Goldmünzen auf Staatskosten. Es habe halt keine Regeln dafür gegeben, lautete die Entschuldigung.
Gestern Samstag streute sich der Armeechef Asche aufs Haupt. «Bei uns in der Armeespitze wurden moralische Fehler gemacht», sagte Philippe Rebord (61) im Schweizer Radio SRF.
Den grössten Spesen-Brocken beansprucht das VBS
Die Gelage der Streitkräfte werfen die Frage auf: Was kosten Cüpli und Auslandtrips der Staatsangestellten die Steuerzahler eigentlich insgesamt?
Was das Bundespersonal angeht, schafft jetzt eine Umfrage von SonntagsBlick Klarheit: Der Spesenaufwand aller sieben Departemente – ohne Gerichte und Bundeskanzlei – betrug 2017 stolze 121,7 Millionen Franken. Dazu gehören Auslagen für Reisen, Verpflegung, Übernachtung und Repräsentation.
Umgerechnet auf die 2016 gezählten 34'800 Vollzeitstellen, ergibt das einen jährlichen Spesenaufwand pro Kopf von gut 3500 Franken.
Den grössten Brocken beanspruchte das Verteidigungsdepartement (VBS). Auf 45,18 Millionen Franken beliefen sich dort die Spesen für 2017. An zweiter Stelle folgt das Aussendepartement (EDA) mit 29,6 Millionen, auf Rang drei das Finanzdepartement (EFD) mit 18,65 Millionen.
Das VBS ist allerdings auch das grösste Departement. SVP-Bundesrat Guy Parmelin (59) verantwortet – Stand 2016 – 11613 Vollzeitstellen. Bei den Pro-Kopf-Ausgaben belegt das VBS Platz drei (3890 Franken). Angeführt wird die Spesenliste vom Aussendepartement mit durchschnittlich 5556 Franken, gefolgt vom Wirtschaftsdepartement WBF mit 4349.
Hoher Aufwand verglichen mit der Privatwirtschaft
Die Spitzenwerte lassen sich teilweise mit den Aufgaben erklären: EDA-Diplomaten und WBF-Vertreter gehören zu den Bundesangestellten mit intensiver Reisetätigkeit – Wirtschaftsmissionen, internationale Konferenzen und Verhandlungstreffen strapazieren das Budget.
Verglichen mit der Privatwirtschaft aber wirkt der Aufwand des Bundespersonals hoch: Ein Unternehmen mit 750 Mitarbeitenden, bei dem Reise- und Repräsentationskosten mehrheitlich in der Schweiz anfallen, rechnet pro Kopf mit durchschnittlichen Spesenausgaben von 733 Franken, bei einer Firma mit 100 Beschäftigten sind es 800 Franken. Die Zahlen stammen aus einer Schätzung von Soreco. Die Firma betreibt ein digitales Tool für das Spesenmanagement in Schweizer KMU.
Der Aufwand der Bundesverwaltung steigt dabei auf hohem Niveau: Im letzten Rechnungsjahr 2016 waren es sieben Millionen Franken weniger.
Ereignisse wie in der
Armee sind jedenfalls bei KMU kaum vorstellbar. 2017 wurden 18 Partnerinnen und Ehefrauen der Offiziere mit dem Superpuma nach Sitten geflogen. Kosten für den Helidienst: 7000 Franken. Im Untersuchungsbericht zum Fall des Oberfeldarztes Andreas Stettbacher, aus dem diese Zahl stammt, ist auch die Rede von einem Jahresrapport 2015 in Grenchen. Der Anlass für 3500 Mitarbeiter und 500 Gäste schlug mit einer halben Million Steuerfranken zu Buche. Der «Tagesanzeiger» berichtete von «Appenzeller-Alpenbitter-Orgien», «limitless Alkohol» und «anständigen Mehrgängern». Ausbildungschef Daniel Baumgartner und Philippe Rebord seien mit dabei gewesen.
«Es gab keine Tabus»
Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz, findet es «höchst fraglich, ob bei den Spesenexzessen im VBS nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstossen wurde.» Ein Spesenreglement, das auch für Armeeangehörige gilt, gebe es durchaus. Um Flüge für Ehefrauen zu verbieten, brauche es keine spezifische Gebührenverordnung: «So etwas geht nicht.»
«Das Hauptproblem waren nicht die Spesen, welche über die gültigen Spesenreglemente des Bundes abgewickelt werden», teilt das VBS mit. In der Armeespitze hätten sich «Traditionen wie Anlässe mit Partnern und Partnerinnen eingeschlichen».
Eingeschlichen? Ein langjähriger Armeeangehöriger der obersten Kommandoebene sagte zu SonntagsBlick, der Departementsspitze sei alles bekannt gewesen: «Es gab keine Tabus.» Die Anlässe hätten einen Sinn erfüllt: «Ehefrauen von Kadern mussten lernen, was bei offiziellen Anlässen das Protokoll von ihnen erwartet.» Zudem habe es preiswerten Schweizer Wein gegeben – «die Damen trinken weniger als ihre Gatten. Auch die trinken weniger, wenn ihre Frauen dabei sind.»