Die Linken waren es nicht
Wer die Erbschaftssteuer erfunden hat

Liberale machten sich bis in die 1990er-Jahre für die Erbschaftssteuer stark. Dann verabschiedeten sie sich vom eigenen Ideal der Chancengleichheit.
Publiziert: 11.11.2024 um 11:52 Uhr
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Aktualisiert: 11.11.2024 um 11:54 Uhr
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Forderten in den 1990er-Jahren erfolglos eine nationale Erbschaftssteuer: die Zürcher Ständerätin Vreni Spoerry und Finanzminister Kaspar Villiger, beide FDP.
Foto: Keystone
Peter Johannes Meier
Beobachter

Reiche Unternehmer drohen mit dem Wegzug aus der Schweiz – Peter Spuhler, Magdalena Martullo-Blocher und manche mehr. Für FDP-Präsident Thierry Burkart ist die Juso-Initiative für eine nationale Erbschaftssteuer schlicht eine «Enteignungsinitiative».

Ist sie also nicht mehr als linke Umverteilungsfantasie? Ein Blick zurück zeigt ein anderes Bild: Es waren Wirtschaftsliberale, die sich immer wieder für eine solche Steuer starkmachten. Seit Jahrhunderten schon und bis hinein in die 1990er-Jahre. Die Erbschaftssteuer war Teil ihrer Grundüberzeugung.

Initiativen aus der FDP

«Wenn man mich fragen würde: ‹Willst du lieber eine moderate Erbschaftssteuer oder eine höhere Einkommenssteuer?›, würde ich mich immer für die Erbschaftssteuer entscheiden», sagte Vreni Spoerry, Zürcher Grande Dame der Liberalen, noch 2003 zur «Neuen Zürcher Zeitung». Wettbewerbsneutral sei sie, nicht leistungshemmend, und sogar gerecht, weil nur diejenigen zahlten, die ohne eigenes Zutun zu plötzlichem Reichtum kommen.

1997 forderte Ständerätin Spoerry die Erbschaftssteuer auf nationaler Ebene. Ohne Erfolg. Wenige Jahre später war es Finanzminister Kaspar Villiger, ebenfalls FDP, der sich für eine Erbschaftssteuer einsetzte. Auch er scheiterte am Widerstand aus eigenen Reihen.

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Die Idee, die Lebenden zu schonen, dafür den Toten etwas zu nehmen, schrieben sich liberale Vordenker schon im 18. Jahrhundert auf die Fahne. Nur Vorrechte des Adels zu streichen, war ihnen nicht revolutionär genug. Der Adel war ja auch unheimlich reich, von Geburt an. Doch künftig sollten nicht mehr Blutsbande, sondern die persönliche Leistung über wirtschaftlichen Erfolg entscheiden. Chancengleichheit lautete die Maxime.

Liberale Vordenker wie der britische Ökonom John Stuart Mill (1806–1873) oder der republikanische US-Präsident Theodore Roosevelt (1858–1919) setzten sich dafür ein. Heute verlangen Milliardäre wie US-Börsenguru Warren Buffett höhere Erbschaftssteuern – schlicht, um den Kapitalismus zu retten. Konsequent enterbte Buffett seine Kinder, damit sie selber etwas leisten müssen.

Kantone kippten wie Dominosteine

So radikal denken wohl die wenigsten Liberalen. Im Gegenteil: Seit den 1990er-Jahren bekämpfen sie die Erbschaftssteuer. In der Schweiz trug der hartnäckig geführte kantonale Steuerwettbewerb dazu bei. Noch in den 1980ern hatten manche Reiche ihre Eltern auf dem Sterbebett in die Innerschweiz verschoben, weil dort das Erbe nicht besteuert wurde. In einem Dominoeffekt versenkten die Kantone seither die Steuer, zumindest für Nachkommen und Ehepartner.

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Das hat etwas Anachronistisches. In einer immer liberaleren Gesellschaft mit Patchworkfamilien und unverheirateten Paaren profitieren beim Tod von Angehörigen weiterhin vor allem leibliche Nachkommen und Verheiratete. Dafür gewann die Schweiz bei reichen Ausländern an Attraktivität. Zum Leben.

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