«Redefreiheit gilt nicht unbegrenzt»
SP-Chef Levrat will keinen Türken-Auftritt

Der Bundesrat sieht keinen Grund, den Propaganda-Auftritt des türkischen Aussenministers zu verbieten. Im BLICK-Interview kritisiert SP-Präsident Christian Levrat diesen Entscheid. Der Frieden unter Türken in der Schweiz werde so auf die Probe gestellt.
Publiziert: 10.03.2017 um 13:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 09:30 Uhr
«Der Auftritt auf schweizerischem Boden sollte vermieden werden», sagt SP-Präsident Christian Levrat.
Foto: KEY
Interview: Christof Vuille

Im November weilte SP-Boss Christian Levrat als Präsident der aussenpolitischen Kommission des Ständerats in der Türkei. Nun nimmt der Freiburger im BLICK-Interview Stellung zum geplanten Auftritt des türkischen Aussenministers.

Herr Levrat, Sie waren vor kurzem mit Kollegen der APK in der Türkei und äusserten sich danach besorgt über die Menschenrechts-Lage. Was halten Sie davon, dass der Aussenminister in der Schweiz Propaganda für die umstrittene Verfassungsreform machen will?

Es gibt in diesem Zusammenhang drei entscheidende Punkte: Meinungsfreiheit, Sicherheit und die Tatsache, dass ein Exekutiv-Mitglied im Ausland derart offensiv Propaganda machen will – und das in einer solch heissen Phase. Es muss allen Beteiligten klar sein: Mevlüt Çavuşoğlu ist nicht irgendein Parlamentarier, sondern ein hochrangiger Vertreter von Erdogans Regierung.

Sie finden den Auftritt also problematisch.

Ich ärgere mich, dass der Bund und der Kanton Zürich keine gemeinsame Beurteilung der Sicherheitslage machen konnten. Wer Recht hat, kann ich nicht beurteilen, aber der Nachrichtendienst und die Zürcher Polizei hätten die Analyse besser koordinieren müssen. Dieser Streit zwischen Zürich und Bern ist mehr als bedauerlich.

Fakt ist, dass der Bundesrat den Türken sogar bei der Suche nach einem neuen Standort behilflich sein will.

Ich hätte anders entschieden. Wenn ausländische Minister durch Europa tingeln, um für eine Aufhebung der Gewaltenteilung zu werben, ist eine Grenze überschritten. Der Auftritt auf schweizerischem Boden sollte vermieden werden. Weil die SP gut in der türkischen Diaspora vernetzt ist, weiss ich: Dieser Auftritt würde den Frieden unter Türken in der Schweiz massiv stören. Ich werde den Verdacht nicht los, dass der Bundesrat anders entschieden hätte, wenn es nicht um die Türkei ginge.

Warum agiert Aussenminister Didier Burkhalter denn in Bezug auf die Türkei dermassen zurückhaltend?

Dass Burkhalter den Putschversuch scharf verurteilt hat, war absolut richtig, ein gewaltsamer Umsturz ist keine Lösung. Seither hat die Schweiz in Ankara Goodwill. Wir müssen unnötige Provokationen gegenüber der Türkei vermeiden, um im Dialog zu bleiben. Die Schweiz darf es Erdogan nicht zu einfach machen, den Kontakt zum Westen abzubrechen und sich nur noch Richtung Zentralasien auszurichten. Jetzt ist der Preis dafür aber zu hoch, der Bundesrat sollte Klartext sprechen.

Sie plädieren also dafür, die Meinungsäusserungsfreiheit – ein grosser Schweizer Wert – einzuschränken.

Ich verstehe das Argument absolut, es ist eine schwierige Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Sicherheit. Wir haben zu recht ein anderes Verständnis der Meinungsfreiheit als die türkische Regierung. Doch die Redefreiheit gilt auch bei uns nicht unbegrenzt. Mit dem geplanten Auftritt würden grosse Spannungen unter Türken in der Schweiz entstehen. Das gilt es zu verhindern.

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