Im Eckbüro von Raynald Droz (54) steht ein Feldbett. Im Kampf gegen das Coronavirus bleibt kaum Zeit für Rast und Ruh. Seit der Mobilmachung der Armee ist der Brigadier einer der Krisen-Stars. Wortgewandt berichtet er – dreisprachig – mit andern Experten des Bundes regelmässig über den aktuellen Stand, live übertragen ins ganze Land. Und ist damit zum Gesicht der Armee geworden.
Medien sind des Lobes voll. Vom Musteroffizier ist die Rede. Vom gestählten Triathleten, dem drei bis vier Stunden Schlaf im Büro reichen, um sich dann wieder täglich 20 Stunden für sein Land einzusetzen. Für uns alle. «Das Militär hätte keinen Besseren schicken können», ist zu lesen. Soldat mit Haut und Haar. Dabei stets wie aus dem Ei gepellt.
«Ich blühe in solchen Situationen auf»
«Ich mache nur meinen Job», gibt sich Droz bescheiden. Gleichzeitig aber räumt er ein, dass es derzeit schon sehr viel Arbeit sei. Doch: Bei aller Tragik könne er auch Energie aus der Krise ziehen. «Für die Armee ist das ein Moment der Wahrheit. Dafür haben wir jahrelang trainiert», sagt er. Das sei wie ein Wettkampf für einen Sportler. «Ich blühe in solchen Situationen auf.» Der Ernstfall motiviere dazu, sein Bestes zu geben.
Droz ist seit 31 Jahren beim Militär. Nach der Rekrutenschule bei der Artillerie wurde der Westschweizer Berufsmilitär. Heute ist er Stabschef des Kommandos Operationen und koordiniert den Einsatz gegen das Coronavirus. Droz denke «24/7 in militärischen Strukturen», zitiert die «NZZ» einen Militärkameraden: «Raynald ist immer in diesem Prozess. Er kommt nie raus.»
«Ich hatte eine Midlife Crisis»
Der Sport ist Droz' Ausgleich. «Mit 41 oder 42 Jahren hatte ich zehn Kilo Übergewicht und eine Midlife-Crisis», sagt er. Er brauchte ein neues Ziel. Es ist ein ambitiöses: Er will einmal am Ironman-Triathlon auf Hawaii teilnehmen.
Ehrgeizig genug ist er. Wenn Kameraden um sechs in der Früh ins Fitnessstudio gehen, hat er schon fertig trainiert. Mittags folgt eine zweite Einheit. Normalerweise trainiert Droz 12 bis 20 Stunden in der Woche. Rennen, Velofahren, Schwimmen. Das Coronavirus hat den Trainingsplan über den Haufen geworfen. Hawaii muss warten.
Aufgewachsen in der Westschweiz und in Italien sei er so erzogen worden, etwas für die Allgemeinheit zu tun. Weil schon sein Grossvater Marineoffizier in Italien war, schlug auch Droz diesen Weg ein. Er absolvierte in Italien die Ausbildung zum zivilen nautischen Offizier und war auf Hochseeschiffen unterwegs. Bis es ihn wieder in die Schweiz verschlagen hat. Zur Armee.
«Meine Frau kontrolliert meine Post»
Und hier steht er nun plötzlich im Rampenlicht, hat als Corona-Krieger einen Fanclub. «Ich erhalte sehr viele Reaktionen. Das hätte ich nie gedacht», sagt er. Kameraden würden sich bei ihm melden. Aber auch aus der Bevölkerung erhalte er viele Zuschriften. Ein 70-jähriger Mann habe geschrieben, dass seine Frau pünktlich zur Medienkonferenz um 14 Uhr vor dem TV sitze, um ihn zu sehen. «Meine Frau kontrolliert mittlerweile meine Post», erzählt Droz grinsend. Denn es kommen auch Liebesbriefe. «Wir können darüber lachen. Aber der Zuspruch freut natürlich auch.»
Brigadier Droz will sich davon nicht ablenken lassen. Nicht von seiner wichtigen Arbeit. Nicht von seinem Traumberuf. «Führen und entscheiden, das ist mir wichtig», sagt Droz. «Der gegenseitige Respekt, der Teamgeist. Das verbindet. Das erlebt man nicht in vielen Berufen.» Daneben ist bei ihm die Disziplin ganz gross geschrieben. Das ist deutlich zu spüren. Ist die letzte E-Mail nicht bearbeitet, gibt es keinen Feierabend. Ohne harte Arbeit nütze alles Talent nichts, davon ist er überzeugt. «Meine Kinder können das nicht mehr hören.»
«Meine Frau ist viel mutiger als ich»
Die Familie ist ihm wichtig – auch wenn er sie im Moment nicht sehen kann. Droz lebt mit seiner Frau und den beiden volljährigen Kindern in Estavayer-le-Lac FR. Nicht grad um die Ecke. Daher schlafe er nach langen Arbeitstagen auch oft in seinem Büro in Bern. «Meine Frau hat es nicht gern, wenn ich so spät nach Hause komme», verrät er.
Seine Frau kenne solch intensive Phasen. «Sie lebt mit der Realität eines Berufsoffiziers», meint Droz. Und sie kennt auch das Risiko des Coronavirus. Selber arbeite sie beim Sekretariat für Migration mit Flüchtlingen zusammen. «Sie geht während der Pandemie grössere Ansteckungsrisiken ein. Meine Frau ist viel mutiger als ich», findet der Brigadier. Ihr sei der Ernst der Lage deshalb durchaus bewusst.
Den Ernst der Lage hat auch die Schweizer Bevölkerung begriffen. «Es tut gut, dabei wieder einmal zeigen zu können, was die Armee kann und dass es sie braucht», sagt Droz. Das Militär sei in den vergangenen Jahren immer wieder in der Kritik gestanden. «Zeigen wir wieder einmal, dass wir bereit sind», betont Droz. «Zeigen wir wieder einmal, was diese jungen Frauen und Männer wert sind. Mit ihnen werden wir diese Krise bewältigen.»