Rat diskutiert über Anlaufstelle für besorgte Eltern
Kommt die Terroristen-Hotline?

Gibt es in der Schweiz bald eine Telefonhotline für besorgte Eltern von Jugendlichen, die sich radikalisieren? Eine solche fordert die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats. Das Vorhaben ist höchst umstritten.
Publiziert: 19.05.2015 um 21:43 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:38 Uhr
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SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher macht sich stark für eine Hotline.
Foto: Keystone
Von Thomas Jossen

Mit einer Motion will die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats den Bundesrat beauftragen, eine Telefonhotlline für «besorgte Bürger oder Eltern von sich radikalisierenden Jugendlichen» einzurichten oder eine solche «national zu koordinieren».

Konkret stellt sich die Kommission das Ganze so vor: Befürchten Eltern oder Lehrkräfte, dass sich ein Jugendlicher radikalisiert, sollen sie sich an den telefonischen Ratgeberdienst wenden können. Diese Massnahme sei wichtig, zur «Früherkennung von Radikalisierung», schreibt die Kommission in der Begründung.

SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher die treibende Kraft

Der Anstoss zur Motion kam von SP-Nationalrätin Edith Graf-Lischer. Für sie «wäre es sehr wichtig, wenn man diese Anfragen kanalisieren könnte.» Somit sei auch gewährleistet, dass «der Austausch zwischen den Behörden optimal funktionieren» würde. Stellen Eltern oder Lehrpersonen bei einem Jugendlichen «gewisse Verhaltensänderungen» fest, soll die Hotline zwar kontaktiert werden.

Angliederung beim Fedpol?

Die Polizei soll aber gemäss Graf-Litscher nicht automatisch aktiv werden. Vielmehr es gehe darum, eine «Anlaufstelle» zu schaffen. Dort solle man «die Auffälligkeiten» schildern. Worauf die Experten «Tipps für das weitere Vorgehen» erteilen können. Die Thurgauer SP-Nationalrätin könnte sich vorstellen, dass «diese Anlaufstelle beim Fedpol angegliedert» werde.

Fedpol äussert sich nicht

Das Fedpol selbst will sich «vor der parlamentarischen Debatte anlässlich der Sommersession noch nicht zu diesen Plänen äussern», erklärt die Medienstelle. Zudem können die Kosten einer solchen Hotline noch nicht beziffert werden.

«Linke setzen auf Prävention, die Rechten auf Repression»

Für Graf-Litscher sind die Kosten «zweitrangig». Es sei die alte Leier. «Wir Linke setzen auf Prävention, die Rechten auf Repression». Aber man müsse auch bereit sein, «für Prävention finanzielle Mitteln bereitzustellen».

Braucht es aber für eine solch kleine Zielgruppe wirklich eine dreisprachige Telefonhotline? «Es ist wichtig, dass wir gegen die Radikalisierung etwas unternehmen.» Edith Graf-Lischer verweist auch auf andere Länder, in welchen es bereits solche Anlaufstellen geben würde.

«Völliger Unsinn»

Mit dieser Idee überhaupt nichts anfangen kann Kommissionsmitglied und SVP-Nationalrat Hans Fehr. Eine solche Hotline würde «nichts bringen». Viel mehr appelliert an die Mitbürger. «Alle Augen und Ohren auf und bei Auffälligkeiten sofort die Polizei einschalten». Dies sei für ihn auch Prävention.

Jeder Tipp von einer Hotline «kommt so oder so zu spät». Zudem gebe es «immer Vorboten einer Radikalisierung». Sei es in der Schule, am Arbeitsplatz oder in der Familie. Solche Zeichen müssten erkannt werden. Somit ist für Fehr klar: Das «heutige System reicht aus.»  Und er geht noch einen Schritt weiter und fragt rhetorisch: «Oder gibt es schon bald eine Hooligan-Hotline?».

Bundesrat dagegen

Auch der Bundesrat lehnt die  Motion ab. Dieser begrüsst das Anliegen zwar grundsätzlich. Aber: «Für eine definitive Entscheidung  ist es aus Sicht des Bundesrats zu früh.» Abzuwarten gelte die Abklärungen der eingesetzten Task Force, «welche die Erfahrungen des Auslandes mit solchen Hotlines sowie die Eignung und Machbarkeit für die Schweiz prüfen würde.»

Der Nationalrat berät am 1. Juni diesen Vorstoss.

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