Rassismus-Report des Bundes
Mehr Übergriffe am Arbeitsplatz

278 rassistische Übergriffe registrierten Beratungsstellen im letzten Jahr. Das zeigt ein noch unveröffentlichter Bericht des Bundes. Am meisten diskriminiert werden Schwarze, viele von ihnen am Arbeitsplatz.
Publiziert: 06.04.2019 um 23:32 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2019 um 10:36 Uhr
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Laut eines noch unveröffentlichten Bericht der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus behandelten die Beratungsstellen in der Schweiz im letzten Jahr 278 Diskriminierungs-Opfer.
Foto: Sobli
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

G. L.* wurde seine Hautfarbe zum Verhängnis. Der schwarze Brasilianer war froh, endlich einen Job gefunden zu haben. Bei einer Reinigungsfirma in Genf. Doch sein erster Einsatz war zugleich sein letzter. L. war gerade dabei, die Böden bei einem Hauptkunden der Firma zu schrubben – ein Grossunternehmen aus der Region –, als dessen Direktorin an ihm vorbeiging. Sie sah ihn an, grüsste aber nicht. Kurz darauf kam eine Sekretärin zu L. Es tue ihr leid, aber die Direktorin wünsche hier keine Schwarzen. Die Folge: Der Brasilianer wurde von der Reinigungsfirma entlassen. Diese stellte sich auf den Standpunkt, dass das Grossunternehmen der wichtigste Kunde sei.

Die Geschichte von G.L. ist eine von vielen, die Beratungsstellen 2018 beschäftigt haben. Ein noch unveröffentlichter Bericht der Eidgenössischen Kommis­sion gegen Rassismus (EKR) und des Vereins humanrights.ch zeigt: Im vergangenen Jahr mussten die 24 Schweizer Rassismusstellen 278 Diskriminierungsopfer beraten.

Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein

Immerhin: Meist blieb es bei Drohungen und Beschimpfungen. In 34 Fällen war aber auch Gewalt im Spiel. So wie am 5. Januar 2018, als Unbekannte eine Signalfackel gegen ein Asylzentrum in Enggistein BE schleuderten. Die Dunkelziffer rassistischer Taten dürfte deutlich höher liegen. Nur die wenigsten Opfer wenden sich an eine Beratungsstelle.

Die Kündigung von G.L. ist gleich in mehrfacher Hinsicht exemplarisch. Ein Grossteil der Vorkommnisse im letzten Jahr traf Schwarze. Sie waren in 96 Fällen Opfer von Diskriminierung. 68 Mal richteten sich die Übergriffe gegen Muslime und Menschen aus dem arabischen Raum.

Und: Der Anteil an 
Diskriminierungen am Arbeitsplatz steigt. Im Vergleich zum Vorjahr regis­trierten die Rassismusstellen in diesem Bereich sieben Prozent mehr Vorfälle Das deckt sich mit einer Umfrage des Bundes aus dem Jahr 2018, wonach es im Berufsumfeld am häufigsten zu fremdenfeindlichen Übergriffen kommt.

«Rassistische Aussagen werden so zunehmend normalisiert»

EKR-Präsidentin Martine Brunschwig Graf begründet das so: «Die Arbeit spielt im Leben von vielen Personen eine grosse Rolle. Es ist der Ort, wo man mit Personen verschiedener Herkunft, Hautfarbe und Religion in Kontakt kommt.»
Andrea Filippi von humanrights.ch beobachtet zudem, dass das vorherrschende politische Klima die Grenze des Sagbaren verschiebt. «Rassistische Aussagen werden so zunehmend normalisiert.»
Die EKR-Präsidentin fordert einen besseren gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung. Dazu fehle derzeit aber der politische Wille. Klar ist für sie: «Die grösste Herausforderung für die Schweiz ist die Bekämpfung der Rassendiskriminierung im Alltag.»
Der Fall des Brasilianers G.L. beschäftigt mittlerweile die Justiz. Einen ­neuen Job hat er bis heute nicht gefunden.

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