Rahmenabkommen spaltet die Wirtschaft
Gewerbeboss fällt Arbeitgeber in den Rücken

Arbeitgeberchef Valentin Vogt ist bereit, über die Lohnschutz-Instrumente im EU-Rahmenvertrag zu verhandeln. Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, lupft es da den Deckel: «Vogt setzt den grössten Trumpf aufs Spiel.»
Publiziert: 10.12.2018 um 02:16 Uhr
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Aktualisiert: 10.12.2018 um 09:06 Uhr
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Gleich drei Bundesräte – Ignazio Cassis, Alain Berset und Ueli Maurer (v. r.) – präsentierten am Freitag den Entwurf für das institutionelle Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU.
Foto: Keystone
Andrea Willimann

Nachdem der Bundesrat am Freitag den Entwurf zum EU-Rahmenvertrag veröffentlicht hat, können ihn jetzt auch die wichtigsten Schweizer Wirtschaftsführer beurteilen. Und sie halten mit ihrer Meinung nicht mehr zurück!

Dabei zeigt sich: Zwischen Industrie und Gewerbe gehen grosse Gräben auf. Dies, weil nicht alle das gleiche Spreu vom Weizen trennen – sprich nicht alle das Gleiche schlecht finden. Ein Teil sieht etwa bei den flankierenden Massnahmen zum Schutz der Schweizer Wirtschaft und Löhne durchaus Spielraum.

Die einen wollen nach neuen Instrumenten für den Lohnschutz suchen

Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt (58) will den Rahmenvertrag unbedingt retten. Das Verfahren, wie die Schweiz und die EU künftig Streit beilegen würden, überzeugt ihn. Er kann auch mit dem System leben, wie wir EU-Recht übernehmen müssten. Bei den flankierenden Massnahmen zeigt er sich offen: «Es ist nun endlich an der Zeit, dass man sich zusammensetzt und bespricht, wie sich das Lohnschutz­-Niveau in der Schweiz halten lässt – auch mit anderen Instrumenten als bisher», so Vogt in der «NZZ am Sonntag». Mit welchen genau, verrät er allerdings nicht.

Die anderen sehen den flexiblen Arbeitsmarkt gefährdet

Kompromissbereit ist auch Hans Hess (63), Präsident des Maschinenindustrie-Verbandes Swissmem. Er begrüsst sogar die Vorschläge der EU zum Lohnschutz. Dieser bleibe «gewährt, die Bürokratie jedoch dort, wo sie nicht nötig ist, reduziert».

Da lupft es Hans-Ulrich Bigler (60), Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, den Deckel. Der FDP-Nationalrat kritisiert die Positionen von Vogt und Hess als «nicht durchdacht». Denn: «Beim Lohnschutz geht es in den nächsten Wochen nicht darum, an technischen Fragen herumzuschrauben – etwa an der Länge der Anmeldefrist, in welcher ausländische Firmen ihre in der Schweiz tätigen Mitarbeiter anmelden müssen, oder an der Dichte, wie diese kontrolliert werden.» Unverhandelbar sei der Lohnschutz für die Gewerkschaften, weil die EU verlange, dass die Schweiz künftig Änderungen an diesen Entsende- und Durchsetzungsrichtlinien dynamisch übernehmen müsste.

«Das ist nicht nur ein Problem für die Linke! Für jedes Schweizer Unternehmen, jeden Gewerbebetrieb wäre dies eine falsche Entwicklung.» Der Gewerbeboss ist überzeugt: «Vogt setzt den grössten Trumpf aufs Spiel, wenn er Regulierungen eingeht, die den grössten Vorteil des Arbeitsmarkts gefährden: seine Flexibilität.»

Können es nur neue Köpfe retten ...

Auch Wirtschaftspolitiker aus CVP und SVP sehen null Spielraum beim Lohnschutz. Konrad Graber (60, LU), Mitglied der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK), glaubt: «Bis der neue Bundesrat eine definitive Haltung zum Abkommen einnimmt, bis der neue Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard sich auf Verhandlungen einlässt, bis nach den Wahlen 2019 neue Köpfe unverkrampft das Dossier beurteilen, geht nichts.»

... oder gewinnt am Schluss einfach die SVP?

Dies prognostiziert auch Thomas Aeschi (39), Mitglied der nationalrätlichen WAK. Was dem SVP-Fraktionschef allerdings recht ist: Streitet sich die Wirtschaft, scheitert der Rahmenvertrag und straft die EU die Schweiz ab, dann steigen in seinen Augen im Volk die Chancen für Lohnschutz à la SVP. Sprich für die Begrenzungs-Initiative, welche die Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt und die Personenfreizügigkeit mit der EU ganz aufheben will.

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