Die Räte haben den zweiten Schweizer Beitrag an die östlichen EU-Mitgliedstaaten in Höhe von 1,3 Milliarden Franken zwar grundsätzlich verabschiedet, dabei aber entschieden, dass dieser erst geleistet werden kann, wenn die EU keine diskriminierenden Massnahmen in anderen Bereichen erlässt. Das bezieht sich insbesondere auf die Börsenäquivalenz. Die EU machte seither keinen Schritt auf die Schweiz zu.
Der Bundesrat möchte die blockierten Gelder trotzdem möglichst rasch freigeben. Er hat das Parlament gebeten, die Vorlage in der laufenden Session in beiden Kammern zu beraten - mit dem Ziel, Anfang Oktober sofort mit der Umsetzung beginnen zu können. Nach dem einseitigen Abbruch der Verhandlungen um ein Rahmenabkommen will der Bundesrat damit ein positives Zeichen setzen und die Beziehungen mit Brüssel etwas auflockern.
Nach einigen taktischen Manövern sieht es so aus, als ob dieser Plan doch noch aufgehen könnte. Die Befürworter einer raschen Freigabe der Gelder - aus heutiger Sicht die Linken, die FDP und die GLP - möchten damit ein Zeichen des guten Willens an die EU aussenden. Sie verbinden damit die Hoffnung, dass Brüssel danach bereit ist, der Schweiz bei der Forschungszusammenarbeit entgegenzukommen.
«Nach dem Verhandlungsabbruch durch den Bundesrat braucht es Bewegung in dieser Sache», sagte der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen am Montag. Die Hochschulen und die Forschung warteten auf diesen Entscheid.
Laut Bundespräsident Guy Parmelin würde die Freigabe der Kohäsionsmilliarde den Start der Verhandlungen über die Aufnahme der Schweiz als vollwertiges Horizon-Mitglied «wohl begünstigen», wie er vor zwei Wochen sagte. Es gebe aber keine direkte Verbindung zwischen den beiden Dossiers.
Insbesondere der SVP geht das alles zu schnell. Sie will die Millionen nicht auszahlen, ohne zu wissen, was die Gegenleistung ist und wie der genaue Plan des Bundesrats aussieht.
«Der Bundesrat hat sich sieben Jahre für den Verhandlungsabbruch Zeit genommen. Nun brauchen auch wir unsere Zeit», sagte zu Wochenbeginn auch Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (BL). Es brauche nun kein beschleunigtes Verfahren.
Zu einem Abschluss während dieser Session kommt es indes nur dann, wenn es zwischen den beiden Kammern keine Differenzen gibt - und die Räte auf eine neue Verknüpfung der Kohäsionsbeiträge mit weiteren Dossiers verzichten.
Mit 11 zu 9 Stimmen und 5 Enthaltungen hatte die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) im Vorfeld der Beratungen entschieden, dass Verpflichtungen erst eingegangen werden sollen, nachdem der Bundesrat die Finanzierungsbotschaft zur Teilnahme der Schweiz an Erasmus+ vorgelegt hat. In der Schwesterkommission des Ständerats (APK-S) war dieser Antrag mit 7 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt worden.
Die Vorlage umfasst zwei Teile. Mit 1,1 Milliarden Franken will die Schweiz in den nächsten zehn Jahren Entwicklungsprojekte in dreizehn Ländern, vor allem im Osten der EU, unterstützen. Weitere 200 Millionen Franken sind für Projekte im Bereich Migration und Asyl in einzelnen EU-Staaten vorgesehen.
Insbesondere bei den Kohäsionsprojekten ist der Zeitdruck hoch, weil das zugrundeliegende Gesetz Ende 2024 ausläuft. Gemäss dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) müssen die Mittel daher bis 3. Dezember 2024 verpflichtet werden.
Das bedeutet, dass die Schweiz bis dann eine entsprechende Vereinbarung mit der EU unterzeichnet und mit jedem einzelnen Geld-Empfänger eine Vereinbarung unterzeichnet haben muss. Gemäss Schätzungen des Bundes werden für die Verpflichtungen mindestens drei Jahre benötigt. Je später die Freigabe erfolgt, desto weniger Zeit bleibt für eine vollständige Verpflichtung. Das Geld könnte dann nicht mehr vollständig verteilt werden.
Im Bereich Migration und Asyl ist das Problem weniger akut, da der entsprechende Bundesbeschluss laut EDA bis Dezember 2029 befristet ist. Doch auch hier verkürzt sich die Umsetzungsphase, je länger der Beitrag blockiert bleibt.
(SDA)