Rekruten bewerfen Kollegen mit Steinen
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Militärjustiz ist am Fall dran:Rekruten bewerfen Kollegen mit Steinen

Quälerei von Tessiner Rekrut verharmlost
Militärheftli schimpft «Steinigung = Fake News»

Lediglich «Falschnachrichten» sind aus der Sicht der zweitgrössten Militärzeitschrift der Schweiz Berichte über einen «Scherz» von Rekruten. Diese steinigten diesen Sommer in Emmen LU einen Kollegen – und hielten das trotz Verbot auf einem Video fest. Darin sieht der «Schweizer Soldat» das Hauptproblem.
Publiziert: 22.11.2018 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2018 um 13:50 Uhr
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Sorgte im Oktober für Aufregung: Film zeigt, wie «Kameraden» einen Rekruten mit Steinen bewerfen.
Foto: Screenshot BLICK
Andrea Willimann

Im Oktober sorgte ein Video aus Emmen LU schweizweit für Empörung: Ein Rekrut der Schweizer Armee wurde auf Anordnung eines Vorgesetzten von seinen Kollegen gesteinigt. Auf den Befehl «Bereit – feuern!» hin hagelte es auf das Tessiner Opfer (24) Steine und Nüsse. Dieses stand geduckt und verloren auf einer Wiese in der Nähe der Militärkaserne.

Eindeutiges Video

Zum Vorfall laufen noch immer Untersuchungen der Militärjustiz. «Ein Urteil ist sicher nicht mehr dieses Jahr zu erwarten», sagte Mario Camelin (34), Sprecher der Militärjustiz, heute zu BLICK. Keinen Einfluss darauf haben die Bestrafungen, welche die Armee intern bereits verhängte: Der Tessiner Gruppenführer erhielt fünf Tage scharfen Arrest, der Videofilmer drei Tage.

Armeechef Philippe Rebord (61) reagierte sofort, verurteilte den Vorfall scharf und besuchte die Truppe. «Absolut inakzeptabel», befand auch Verteidigungsminister Guy Parmelin (59). Alles war schliesslich eindeutig auf Video festgehalten. Zudem wurden im Nachgang Vorwürfe laut, dass der betroffene Soldat während seiner Ausbildung wiederholt von seinen Vorgesetzten und anderen Soldaten gemobbt wurde.

«Schweizer Soldat» hält Steinigung für einen «Scherz»

All das hindert die zweitgrösste Schweizer Militärzeitschrift, der «Schweizer Soldat», jetzt aber nicht daran, unter dem Titel «Steinigung = Fake News» die Berichterstattung über das Video in Frage zu stellen.

Der Artikel, der nicht mit einem Autorennamen gezeichnet ist, hält zwar fest, dass «jegliche Art von Machotum in unserer Armee» nicht tolerierbar sei. «Blödeleien, Bierideen und das Plagen von Kameraden gehen nicht.» Die Steinigung selber wird aber als «Scherz» bezeichnet. Einen Beleg dafür, weshalb das Ganze eine «Bieridee» gewesen sein soll, liefert der Bericht nicht. 

Videoverbot wird höher bewertet

Vielmehr verunglimpft der Artikel den Vater des Opfers – einen «Rektor einer angesehenen Schule in Locarno und dem Militär nicht feindlich gesinnt». Die Medien, die darüber berichteten, werden als «armeefeindlich» verurteilt und ihre Meldung als Falschnachricht dargestellt. Die Zeitschrift zieht in einem Zusatztext sogar den Vergleich mit legendären Szenen aus dem Zweiten Weltkrieg. Etwa mit dem berühmten Foto des Russen, der am 1. Mai 1945 auf dem Berliner Reichstag eine Fahne mit Hammer und Sichel hisste – es gibt zwei Versionen davon, weil er auf dem ersten Bild geraubte Uhren am Arm trug.

Dürfen Videos und Bilder auch die Realität zeigen? Tatsächlich betont die Militärheft, dass das Videoverbot des Kommunikationschefs Verteidigung durchgesetzt werden müsse. Militärische Szenen seien nicht zu filmen und ins Internet zu stellen: «Denn der Vorfall in der RS zeigt, was ein Video anrichten kann.»

GSoA reagiert empört

Der Schaden ist auf jeden Fall angerichtet. Gegenüber BLICK empört sich Lewin Lempert von der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA): «Ich finde es ziemlich schlimm, dass eine Zeitung, welche an alle Offiziere und Unteroffiziere geht, ohne Beleg eine solche Tat krass verharmlost. Gerade Armeeangehörige sollten sensibilisiert werden und nicht Berichte zu lesen bekommen, welche «solche unmenschlichen Methoden» verharmlosen.

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